Kapitel 5

Mein Weg, mein Kampf, mein… Longbottom? – Snapes neuer Freund!

Am nächsten Tag in Kräuterkunde, wurde er nach dem Unterricht von Professor Sprout gefragt, wie es gelaufen sei. Er erzählte ihr, dass er vieles besser verstanden hatte. Snape war ruhiger gewesen, als normal. Er hatte ihn nicht einmal schikaniert oder gar angebrüllt, als sie den Trank gebraut hatten. Das einzige was er ihr verschwieg, war ihr Gespräch über sein Todesserdasein. Er wollte Snape nicht verraten, falls sie es noch nicht wusste.

Professor Sprout nickte und klopfte ihm auf die Schulter. Neville lächelte etwas schief, über die Geste und ging dann zum Verwandlungs-Unterricht bei McGonnagel. Ebenfalls hatte er Dean und Seamus alles über Snape verschwiegen, was mit den Todessern zu tun hatte. Je weniger Leute es wussten, desto besser für Snape.

Der Tag zog sich nur so hin und er war fast schon froh, dass es die letzte Stunde war. Doch dann fiel ihm Snape wieder ein und seine Laune fiel wieder in den Keller. Naja, bei Snape wohl eher in den Kerker. An der massiven Holztür blieb er stehen und atmete tief durch, bevor er dann durch die Tür zum Unterricht ging. Snape war noch nicht da. Der Gryffindor setzte sich zu seinen Freunden und wartete auf seinen Untergang.

Dann rauschte der Tränkemeister auch schon in den Raum, auf sein Pult zu.

„Schlagt die Bücher auf. Seite 276-281 das Kapitel lesen und anschließend die Aufgaben auf Seite 282 lösen. Ihr habt den Rest der Stunde Zeit. Longbottom, Sie brauen den Trank der lebenden Toten erneut. Ihr letztes Gebräu kann man nicht mehr als solches bezeichnen.", zischte ihn Snape durch die Klasse an.

Alle drehten sich zu ihm um. Nur die Slytherins lachten über Snapes Witz. Nur, dass es kein Witz war. Der Trank hatte wirklich abscheulich ausgesehen. Neville konnte sich noch ganz genau an den Geruch erinnern. Er roch nach verbrannter Haut, was wohl daran lag, dass der Trank explodiert ist und er es voll abbekommen hatte. Er bemerkte, dass Malfoy hämisch grinste. Snape fuhr sie aber sogleich an, sie sollten anfangen zu arbeiten.

Dann knallte ihm Snape ein altes Buch auf den Tisch. Der Einband war nur noch an wenigen Stellen wirklich vorhanden. Die Seiten waren vergilbt und insgesamt sah das Buch so aus, als ob irgendjemand es im Klo runtergespült hätte, nur um gleich darauf mit dem Buch Tennis zu spielen. Genauso roch es übrigens auch.

Neville seufzte. Snape war sauer auf ihn. Und zwar nicht wenig. Er war eine tickende Zeitbombe, die jeden Augenblick drohte zu explodieren. Wenn er sich mit seinen Fragen und seinem Retterinstinkt nicht zusammenriss, dann konnte Snape für nichts mehr garantieren. Für rein gar nichts.

Seamus stupste ihn von der Seite an.

„Der hat dich ja ganz schön auf dem Kieker, was?", grinste er und wendete sich wieder seinem Pergament zu, bevor Snape etwas mitbekam.

Neville konnte nichts erwidern, einerseits hatte ihm Snape geholfen, andererseits gab er ihm dieses vergilbte Buch. Aber er war auch selbst schuld, warum musste er unbedingt jeden beschützen wollen? Vielleicht sah er in Snape ja eine Vaterfigur. Doch konnte das sein? Konnte Snape für ihn wirklich… Neville dachte weiter nach und bemerkte so nicht, dass Snape genau hinter ihm stand und gerade unbemerkt von dem Gryffindor Legilimentik bei ihm anwandte.

Snape bekam den inneren Kampf mit. Konnte er, der verhasste Tränkemeister Schrägstrich Bastard, denn wirklich eine Vaterfigur sein? Und das für Longbottom? Longbottom wollte ihm helfen, weil er in ihm einen Vater sah? In ihm?

Snape wollte eigentlich nie Kinder. Er wollte, seit Lily gestorben ist, niemanden an sich heran lassen. Vor Jahren hatte er sich mal ausgemalt, wie schön es gewesen wäre, eine Familie mit Lily zu haben. Aber in ihm hatte Lily nie mehr als einen Freund gesehen. Hinter diesem Wunschdenken hatte er sich versteckt.

Wie oft hatte er schon allein um sie geweint? Wie viele Flaschen Wein und Feuerwhiskey hatte er schon geleert, um seinen Schmerz zu betäuben? Weil der Schmerz für ihn so unerträglich war, hatte er mit dem Trinken angefangen. Er hatte keinen anderen Ausweg gesehen. Wie oft hatte er schon mit dem Gedanken gespielt sich umzubringen? Wie oft? Sehr oft. Beinahe jeden Tag in seinem Leben, seit Lily tot war. Er wollte nur bei ihr sein. Selbst, wenn sie ihn nie wirklich lieben würde. Er wollte sie noch einmal in die Arme schließen. Noch einmal mit ihr tanzen. Noch ein einziges Mal ihr wunderschönes Lächeln sehen und mit ihr zusammen lachen.

„Longbottom, schlagen sie das Buch auf. Seite 214. Dann fangen sie an.", sagte Snape etwas ruhiger als zuvor.

Neville nickte und blätterte durch das Buch, auf der Suche nach der richtigen Seite. Als er sie dann gefunden hatte, bemerkte er die Randnotizen, die die Anweisungen fast unlesbar machten. Er besah sie sich erneut. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das waren die Anweisungen von Snape. Genau die gleichen hatte er ihm in der Nachhilfestunde gegeben.

Er begann.

Immer wieder blickte ihm Snape über die Schulter, was ihn ziemlich nervös machte, aber nach dem dritten oder vierten Mal erschrak er nicht mehr und rührte einfach weiter. Es bildete sich sogar ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht, als er den Farbwechsel bemerkte. Nachdem der Trank durchsichtig geworden war, kam Snape wieder und ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Nur so, das Neville es sehen konnte. Dann war die steinerne Maske wieder da und Snape blickte ihn an.

„Sie sind also doch schlauer als ich gedacht habe, Longbottom.", gab er von sich.

Doch Malfoy blickte von seinem Pergament auf und machte der aufkeimenden Freude in Neville einen Strich durch die Rechnung. Er hatte sich schon die ganze Zeit gefragt, warum ihnen noch keine Schlafbohnen um die Ohren flogen. Aber er hatte eigentlich geglaubt, der Longbottom hätte es in dieser ganzen Zeit erst zur Affodillwurzel geschafft. Wie sonst auch eben.

Malfoy sprang von seinem Platz auf und begutachtete Nevilles Trank. Durchsichtig?! Neville „die Niete" Longbottom hatte es geschafft seinen Trank durchsichtig zu machen? Er warf Neville einen gehässigen Blick zu.

„Longbottom hat seinen Trank verhext, Sir. Ich hab es gesehen.", sagte Malfoy mit einem fiesen Lächeln.

Neville blickte geschockt vom einen zum anderen. Das konnten die doch nicht ernst meinen! Snape verzog keine Miene und blickte nur Neville an. Es war kein durchleuchtender Blick, wie sonst, wenn Schüler versuchten ihm etwas vor zu machen.

„Das soll nicht ihre Sorge sein, Mister Malfoy. Longbottom muss sowieso noch nachsitzen. Da kann er sich die Zeit auch mit Kesselschrubben vertreiben. Nicht wahr, Mister Longbottom?"

Mittlerweile hatten sich alle zu ihm umgedreht. Die Gryffindors warfen Malfoy Todesblicke zu, die selbst den Dunklen Lord zum verschwinden gebracht hätten. Besonders Hermine war sauer. Wie konnte Malfoy es nur wagen so dreist zu lügen und Snape glaubte diesem schleimigen Frettchen auch noch.

Neville senkte den Blick und murmelte ein „Ja, Sir." bevor er sich auf seinen Platz setzte und in Selbstmittleid ertrank.

Snape blickte ihn noch eine Zeit lang an. Er schien über etwas nachzudenken, doch dann ging er wie sonst an ihm vorbei und schenkte ihm keine Beachtung mehr. An seinem Pult angekommen, drehte er sich wieder zur Klasse um.

„Die Stunde ist beendet. Ihr könnte gehen. Longbottom, Sie bleiben hier.",

Neville zuckte bei den harten Worten zusammen. Er wartete, bis alle den Raum geräumt hatten. Seamus und Dean klopften ihm nochmal aufmunternd auf die Schulter, bevor sie gingen. Hermine umarmte ihn sogar und flüsterte ihm ins Ohr: „Tut mir Leid. Ich hätte etwas sagen sollen. Obwohl ich nichts gesehen habe, weiß ich, dass du…",

Neville konnte darüber nur müde lächeln. „W-Willst du… Willst du, dass Gryffindor noch mehr Punkte abgezogen werden?", fragte er sie.

Daraufhin schüttelte sie den Kopf und ging mit Harry und Ron aus dem Klassenzimmer. Snape wartet noch einen Moment ab, bis er auf Neville zugerast kam.

„Haben Sie irgendjemandem von dem Dunklen Mal erzählt, Longbottom?", zischte Snape.

„Nein, Sir.", brachte Neville mit hoher Stimme hervor.

Snape atmete erleichtert aus und lehnte sich an den nebenstehenden Labortisch.

„Wollen Sie mir immer noch helfen, Longbottom?", fragte er mit geschlossenen Augen während er sich die Schläfe rieb.

Neville musste nicht lange nachdenken.

„Ja, Professor.", kam es mit entschlossener Stimme von ihm.

Snape ließ die Hand sinken, öffnete die Augen und blickte den jungen Gryffindor an.

„Warum wollen Sie einem Todesser, einem Mörder, helfen?"

„Weil niemand es verdient hat, so gefoltert zu werden. Ich weiß, dass es der Dunkle Lord war, der Sie so zugerichtet hat."

Snape nickte verstehend. Es gefiel ihm nicht, das gab er zu. Er wollte nicht noch jemanden in Dumbledores Pläne reinziehen. Eines war klar, er würde Longbottom nie in die Nähe von Voldemort lassen. Niemals. Vielleicht war es auch besser für ihn selbst, wenn er sich jemand anderem als Dumbledore anvertrauen könnte. Wenn Longbottom das denn überhaupt verkraftet, wäre es eine große Hilfe für ihn.

„Longbottom, sie werden ab jetzt jeden Tag nach ihrem Unterricht zu mir kommen. Ich gebe ihnen Unterricht in Okklumentik. Ihr Unterricht beginnt morgen. Und egal was Sie auch tun…", jetzt wurde Snapes Stimme bedrohlicher als normal. „… folgen Sie mir nicht und bleiben Sie nachts in Ihrem Schlafsaal. Immer."

Neville nickte. Auch wenn er sich höchstwahrscheinlich nicht daran halten wird. Das wusste auch Snape, doch er sagt nichts, sondern legte nur den Kopf in die Hände. Als er wieder aufblickte, hatte sich Neville auf einen Stuhl gesetzt und beobachtete ihn. Snape tat so, als würde er es nicht merken und blickte auf die gegenüberliegende Wand.

„Für wen kämpfen Sie, Longbottom?", fragte Snape nach einiger Zeit des Schweigens.

„Für meine Eltern, meine Großmutter und meine Freunde. Und Sie, Professor?", traute sich der junge Gryffindor dann doch zu fragen.

Diese Frage brachte den Tränkemeister aus dem Konzept. Natürlich war es möglich gewesen, dass Longbottom ihn ebenfalls danach fragen würde, aber er hatte es für unwahrscheinlich gehalten, dass er noch so viel Mut in sich hatte, um es wirklich zu tun. Snape schüttelte den Kopf. Er hatte niemanden, für den es sich zu kämpfen lohnte.

Seine große Liebe war tot.

Ihr Sohn weckte seine alte Feindschaft mit James und somit könnte er auch nicht behaupten, dass er für ihn kämpft.

Seine Eltern sind ebenfalls tot. Obwohl er nie für seinen Muggelvater so etwas wie Liebe empfunden hatte. Nur seine Mutter hatte er aufrichtig geliebt. Und sie ihn ebenfalls.

Andere Verwandte hatte er nicht.

Freunde hatte er keine.

Und für keinen in Hogwarts verspürte er einen tiefen Beschützerinstinkt.

Es gab niemanden, für den es sich zu kämpfen gelohnt hätte.

Und dennoch. Severus Snape stand immer wieder auf um weiter zu kämpfen.

Neville schüttelte ebenfalls den Kopf und drehte sich zum Gehen. Am Türrahmen blieb er nochmal stehen. Er wusste nicht ob Snape ihn hörte oder nicht und im Grunde war das auch egal. Er wollte es aussprechen.

„Ich werde auch für Sie kämpfen, Professor Snape.", sagte er, ohne auf seine Lautstärke zu achten.