Disclaimer: Alle Figuren gehören Joanne K. Rowling und ich verdiene kein Geld mit diesen Geschichten.

Der erste Kuss

Kapitel 1 – Das Fragenspiel (1. Kuss)

„Severus?", fragte Hermine, die gemütlich auf dem Sofa am Kamin saß und bis eben noch gelesen hatte, eines Abends.

„Ja?", erwiderte er, der ihr gegenüber auf dem Sessel saß und ebenfalls ein Buch in der Hand hielt, freundlich. Seit sie sein Lehrling war und sie wohl so etwas wie Freunde geworden waren, wollte er sie in seinem Leben nicht mehr missen. Mit ihrer fröhlichen, unbeschwerten und ganz und gar nicht dummen Art hatte sie ihn aus seiner schwarzen Einsamkeit gerettet, ohne dass sie es auch nur ahnte.

„Wollen wir ein Spiel spielen, um uns besser kennen zu lernen?"

Er zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Aber nicht Wahrheit oder Pflicht oder so ein Quatsch."

Hermine schüttelte mit dem Kopf. „Nein, und auch nichts mit Trinken oder anderen peinlichen Dingen."

„Sondern?"

„Ich nenne es ganz einfach das Fragenspiel. Es ist recht simpel: Wir stellen einander immer abwechselnd eine Frage, deren Antwort uns interessiert."

„Muss man die Frage beantworten?"

„Nein, natürlich nicht. Aber es würde wenig Spaß machen, wenn du jede Frage verweigerst."

„Mach ich nicht", versprach er. Das könnte ganz interessant werden. Er nickte einverstanden.

„Gut, dann darfst du anfangen", ließ sie ihm den Vortritt.

„Fang du lieber an, dann weiß ich, was für Fragen du dir vorstellst."

„Ist gut." Sie überlegte kurz, bevor sie fragte: „Was ist deine Lieblingsfarbe?"

„Grün", antwortete er sofort. „Und schwarz."

„So klischeehaft?", neckte sie.

Er zuckte nur mit den Schultern. „Darf ich dich jetzt dasselbe fragen?"

„Hmm. Von mir aus schon, aber dann musst du dir danach was Neues ausdenken, sonst stelle ja nur ich die Fragen."

Er nickte. „Also, was ist deine Lieblingsfarbe?"

„Silber."

„Silber? Darf man fragen, wieso?"

„Warum nicht? Hast du etwa erwartet, ich würde Rot oder Gold antworten?"

„Ja, ich denke schon. Außerdem ist Silber doch gar keine richtige Farbe, oder?"

Sie zuckte nur mit den Schultern. „Du bist dran mit einer neuen Frage."

Er überlegte kurz. „Hast du damals in deinem zweiten Schuljahr von meinen Vorräten gestohlen, um Vielsafttrank zu brauen?"

Sie sah ihn entsetzt an. „Woher weißt du, dass wir Vielsafttrank gebraut haben?!"

„Dich als Katze zu sehen, war doch recht eindeutig."

Dieser Fehler beschämte sie immer noch und sie wurde daher leicht rot und sah betreten zu Boden.

„Also, hast du nun von mir gestohlen?", hakte er nach.

„Ja…", gab sie zerknirscht zu.

„Ha!", rief er aus. „Ich wusste es!"

„Es tut mir leid."

„Tut es nicht", sagte er, lächelte jedoch.

Daraufhin musste sie grinsen. „Okay, nächste Frage. Hmmm… Aha", machte sie triumphierend und er wusste, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. „Hattest du mal ein Kuscheltier?"

„Ja", erwiderte er widerstrebend.

„Echt?!", rief sie aufgeregt. „Erzähl!"

„Es handelte sich um eine kleine Eule namens Mery. Meine Großmutter hatte sie mir geschenkt, doch mein Vater hat sie mir mit 8 Jahren weggenommen, weil er der Meinung war, dass ich jetzt zu alt für ein Kuscheltier wäre."

Hermine sah ihn entsetzt an. „Das ist ja schrecklich…"

Er zuckte nur mit den Schultern. „Und du?"

„Ich hab einen Teddy namens Bär. Und er befindet sich immer noch in meinem Bett bei meinen Eltern."

Severus lächelte. „Ich bin dran", sagt er dann. „Was isst du am liebsten?"

„Spaghetti Bolognese."

„Sehr einfallsreich."

„Wieso? Was isst du denn gern?"

„Reis-Tomaten-Auflauf mit einer Spitze Basilikum", erwiderte er todernst.

Hermine jedoch brachte das zum Lachen. „Gut nächste Frage: Wann hast du Geburtstag?"

„Das sag ich dir nur, wenn du mir dann nichts schenkst oder eine Feier veranstaltest oder so."

„Das ist aber schade, aber nun gut."

„Schwörst du's?"

Sie rollte mit den Augen. „Ja, ich schwöre es. Auch wenn ich finde, du könntest ruhig ein wenig sozialer sein."

Er zuckte nur mit den Schultern. „9. Januar", antwortete er schließlich. „Und du?"

„19. September."

„Aber das war ja vor zwei Wochen?!", rief er aus.

„Deswegen hab ich mir ja auch frei genommen."

„Warum hast du denn nichts gesagt?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nicht, dass es dich interessieren würde."

„Da liegst du aber sehr daneben." Dann streckte er ihr die Hand aus, die sie sogleich ergriff. „Hermine, ich wünsche dir alles Gute nachträglich zum Geburtstag."

„D-danke", stammelte sie gerührt. „Ich glaube, das ist das Netteste, das du je getan hast."

Er lächelte zufrieden mit sich selbst und lehnte sich wieder entspannt zurück. „Du bist dran mit einer neuen Frage", sagte er ihr schließlich ruhig.

„Ähm, ja… richtig…" Hermine war immer noch ein wenig verwirrt, fasste sich aber schnell. „Wie alt bist du?"

„38", antwortete er sofort. „Und du müsstest jetzt 19 sein, nicht wahr?"

Sie nickte.

„Gut", lächelte er triumphierend. „Nächste Frage: Hast du Geschwister?"

„Nein. Du?"

„Auch nicht."

„Findest du das schade?", fragte sie dann.

„Hmmm", überlegte er. „Ich muss gestehen, dass ich mir noch nie darüber Gedanken gemacht habe. Da ich es nicht ändern konnte, ergab es für mich keinen Sinn, mir etwas anderes zu wünschen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ich mich gerade in der Zeit vor Hogwarts über einen Bruder gefreut hätte, mit dem ich hätte spielen können."

Hermine nickte nur.

„Findest du es denn schade, ein Einzelkind zu sein?", wollte er nun wissen.

„Nein. Meine Eltern haben sich viel mit mir beschäftigt und ich habe früh lesen gelernt."

„Das freut mich für dich", sagte er und sie war sich nicht sicher, ob er das nun ernst oder sarkastisch gemeint hatte. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, fragte er beiläufig und gutgelaunt: „Bin ich jetzt dran oder du?"

Hermine lachte. „Ich weiß es nicht. Aber ich lass dir gerne den Vortritt."

„Spielst du ein Musikinstrument?"

„Meine Eltern haben ein Klavier, auf dem ich in den Ferien sehr laienhaft spiele. Und du?"

„Ich überhaupt nicht", lachte er. „Ich höre sehr gerne Musik, aber fürs Selberspielen bin ich viel zu unbegabt."

„Was für Musik hörst du denn gerne?", wollte sie wissen.

„Ob du es mir glaubst oder nicht, aber am liebsten höre ich klassische Muggelkomponisten."

„Mozart und Beethoven?!"

„Ja", gab er zerknirscht zu.

„Die spiel ich auf dem Klavier!", rief sie aufgeregt.

„Wirklich?"

„Ja!"

„Das musst du mir mal zeigen."

„Mach ich", strahlte sie.

Er strahlte zurück.

„Du bist dran", erinnerte sie ihn nach einer Weile.

„Ich weiß", erwiderte er sofort. „Ich überlege, was ich fragen könnte, denn Vieles weiß ich schon."

„Zum Beispiel?"

„Ich weiß, dass du deinen Kaffee mit Milch trinkst. Ich weiß, dass dein zweiter Vorname Jean lautet, und ich weiß, dass du ein Kräutershampoo benutzt."

„Wow", meinte sie erstaunt. „Das hätte ich nicht gedacht."

„Ich bin ein stiller aber sehr gewissenhafter Beobachter", sagte er geheimnisvoll.

Sie lächelte. „Ich weiß die gleichen Dinge über dich", gab sie dann zu.

„Ach, wirklich?", fragte er skeptisch. „Das musst du mir jetzt beweisen."

„Du trinkst deinen Kaffee schwarz, dein zweiter Vorname lautet Tobias, auch wenn du es nie erwähnst oder damit unterschreibst, und du benutzt ebenfalls ein Kräutershampoo, wenn auch nicht das Gleiche wie ich."

„Woher weißt du das mit meinem zweiten Vornamen?", fragte er sehr verwundert.

„In meinem sechsten Schuljahr hatte Harry doch dein altes Zaubertrankbuch", erklärte sie unwillentlich. „Ich habe die gesamte Bibliothek auf den Kopf gestellt, um etwas über diesen Halbblutprinzen herauszufinden. Ich fand zuerst Eileen Prince, die dann Tobias Snape heiratete und schließlich deine Geburtsanzeige in einem alten Tagespropheten…"

„Dann wusstest du doch mein Alter. Warum fragst du dann?"

„Ich wollte eigentlich wissen, ob du mir antwortest; ob dir dein Alter irgendwie wichtig oder unangenehm ist oder so."

„Sehr gewieft", meinte er anerkennend. „Du bist nicht umsonst die Klügste Hexe ihres Alters."

„Danke", strahlte sie. „Du bist trotzdem noch mit einer Frage dran."

„Na gut… Warst du schon mal in Rom?"

„Nein, aber in Frankreich."

„Paris ist nichts im Vergleich zu Rom", behauptete er.

„Dann muss ich da wohl mal hin", sagte sie.

„Ja, das solltest du."

„Magst du Weihnachten?", stellte sie die nächste Frage.

„Nein", erwiderte er sofort.

„Nein?", fragte sie verwundert. „Warum denn nicht?!"

„Ich hasse dieses Drumherum. Dass alles kitschig geschmückt sein muss, dass plötzlich alle nett zueinander sind, dass alle nur noch an Geschenke denken und Ferien, und dass alle zusammen feiern – nur ich nicht."

„Also magst du die Einsamkeit nicht, die das Fest mit sich bringt, und nicht unbedingt das Fest an sich."

„Vielleicht", gab er zu. „Aber mittlerweile verbinde ich die beiden Sachen zwangsläufig miteinander."

„Aber dieses Jahr wird alles anders", verkündete sie fröhlich.

„Warum denn das?"

„Na, weil ich doch da bin. Wir werden ein sehr schönes Weihnachtsfest zusammen verbringen – das verspreche ich dir."

Er lächelte dankbar, doch dann fragte er irritiert: „Willst du nicht lieber mit deinen Eltern oder deinen Freunden feiern? Die Weasleys werden bestimmt bitter enttäuscht sein, wenn du nicht vorbeischaust."

Ihre Miene trübte sich kein bisschen. „Das werden die schon verkraften."

Eine Weile sahen sie sich nur vergnügt an, bis Severus sich räusperte und murmelte: „Ich bin dran." Lauter fragte er dann: „Hast du noch deine Großeltern?"

„Nur noch die Mutter meines Vaters. Ich bin gerne dort, denn sie hat eine riesige Büchersammlung."

Er schmunzelte. „Was sonst…"

„Und du?"

Er schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe niemanden mehr."

„Das tut mir leid", sagte sie mitfühlend.

„Das muss es nicht", meinte er sofort. „Ich kenne es quasi nicht anders."

Sie wirkte immer noch bedrückt von dem Gedanken an seine Einsamkeit.

„Na los", forderte er daher übertrieben freudig auf. „Frag mich was richtig Persönliches."

„Echt? Darf ich?"

Er nickte.

Sie überlegte kurz, bevor sich ein gewitztes Lächeln auf ihre Lippen stahl. „Wer war dein erster Kuss?", wollte sie dann wissen.

„Wie meinst du das?", hakte er nach.

„Na, wen hast du zuerst geküsst oder wer hat dich zuerst geküsst."

„Meine Mutter vermutlich", antwortete er trocken.

„Nein", widersprach sie. „Ich meine einen richtigen Kuss – einen romantischen." Sie konnte nicht verhindern, dass sie ein wenig rot wurde.

„Das möchte ich nicht verraten", verschloss er sich sofort und seine Miene verfinsterte sich.

„War es… Lily?", wagte sie zu fragen.

Er schüttelte mit dem Kopf.

„Dann jemand aus deiner Klasse früher."

Wieder ein Kopfschütteln.

„Eine Todesserin?", riet sie weiter.

„Nein!", erwiderte er ernst.

„Wer dann?", fragte sie ratlos.

Er sah sie aufmerksam an und flüsterte dann ganz leise: „Niemand."

Hermine blinzelte ein paar Mal verdutzt. „Niemand?", fragte sie schließlich behutsam nach.

„Nein, niemand", sagte er traurig und blickte beschämt auf den Boden.

„Warum?", wollte sie leise wissen.

Er zuckte mit den Schultern. „Es hat sich einfach nie ergeben. Niemand wollte mich küssen." Immer noch sah er zu Boden, seine langen, schwarze Haare verbargen sein Gesicht.

Hermine überlegte kurz, bevor sie eine gewagte Entscheidung traf. Vorsichtig stand sie auf, kniete sich auf den Fußboden vor Severus' Sessel und strich ihm behutsam die Haare hinter die Ohren.

Bei der ersten Berührung sah er sie entgeistert an. „Was machst du da?", fragte er irritiert.

Sie sah ihm fest in die Augen und sagte dann ernst, aber am Ende mit einem kleinen Lächeln: „Ich möchte, dass der erste Kuss, den du bekommst, von jemandem stammt, der dich sehr, sehr gern hat." Und noch bevor er widersprechen konnte oder überhaupt reagieren konnte, hatte sie ihre Lippen sanft auf seine gedrückt. Sie ließ ihm Zeit, sich von diesem Schock zu erholen und sich an so etwas wie Lippen zu gewöhnen, währenddessen genau darauf achtend, ob er sich vielleicht wehrte, weil er das Ganze nicht wollte. Doch das Gegenteil war der Fall: Er brauchte nicht allzu lange, sich an diese neue Situation zu gewöhnen, und sobald er es registriert hatte, gab es für ihn keine Zurückhaltung mehr – gierig zog er sie an sich, vergrub eine Hand in ihren Haaren und küsste sie so innig, als würde die Welt untergehen.

Hermine ließ sich das sehr gerne gefallen, strich ihm ebenfalls durchs Haar und seufzte innerlich glücklich.

Erst nach einer Weile lösten sie sich voneinander und sahen sich schwer atmend an.

Severus lächelte zuerst. „Ich danke dir", flüsterte er und lehnte seine Stirn an ihre.

Hermine strahlte. „Gern geschehen."

Sie verblieben noch eine Weile so, bis sie schließlich aufstand, ihm eine Gute Nacht wünschte und in ihr Zimmer zu Bett ging.

Severus blieb noch eine ganze Weile vor dem Kamin sitzen und versuchte, sich so gut wie möglich seinen allerersten Kuss einzuprägen. Lächelnd starrte er ins Feuer.