Nun also das letzte Kapitel. Vielen Dank an Euch alle, die ihr Kommentare dagelassen habt! Ich habe mich sehr darüber gefreut (und freue mich auch weiterhin, wenn jemand kommentiert).
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"Küssen Sie mich, bitte?"
Die leise gesprochenen Worte hätten vielleicht wie ein Befehl geklungen, wenn da nicht der flehende, hoffnungsvolle Blick in ihren Augen gewesen wäre.
Er hatte bereits abgelehnt, oder zumindest hatte er ihr alle Gründe genannt, warum er ablehnen sollte. Aber als er sie nun ansah, wurde ihm klar, dass er es nicht konnte. Er hatte einfach nicht die Kraft dazu. Und wenn er ehrlich war, auch nicht den Willen.
Er streckte seine Hand aus und strich mit den Fingern sacht über ihre Wange, ehe er sie sanft umfasste. "Wenn Sie das wirklich wollen..." murmelte er, und lehnte sich näher. Ihre Atmung schien auszusetzen, und er konnte den unregelmäßigen Schlag ihres Herzen fühlen, als sein Mund sich sehr langsam auf den ihren senkte.
Hermine hatte sich oft vorgestellt, wie es sein würde, den strengen, unnahbaren und einschüchternden Zaubertränkemeister zu küssen. Es war eine Fantasie, die ihr immer ein wenig Probleme bereitet hatte, wenn sie sich dazu hatte hinreißen lassen. Vielleicht, weil diese Intimität der Inbegriff von allem war, wofür Snape nicht stand: menschliche Nähe, Emotionen und Wärme. Es war schwer, ihn sich anders vorzustellen als mit einem Ausdruck von Unmut, Ungeduld oder Verachtung im Gesicht. Sie kannte seine Lippen eigentlich nur in einer Form: zusammengepresst zu einer dünnen Linie, meist mürrisch oder voller Hohn, was auch der Grund war, warum sie manchmal vermutet hatte, dass sie sich genau so anfühlen würden: hart und unerbittlich, vielleicht sogar strafend, fast verletzend, weil sie es gewagt hatte, ihm derart zu nahe zu treten.
Falls er jemals in Versuchung gebracht werden könnte, sie tatsächlich zu küssen, so hatte Hermine gedacht, würde er nicht zögern, sich zu nehmen was auch immer er von ihr wollte oder was ihm angeboten wurde. Sein Kuss würde fordernd sein und kompromisslos, und es würde eher ein Nehmen sein denn ein Geben. Und so, wie er Macht ausstrahlte und von jedem Gehorsam verlangte, würde er die Kontrolle haben und über sie verfügen, dafür sorgen, dass sie sich seinem Willen unterwarf. Seltsamerweise machte ihr das gar nichts aus – sie fand die Vorstellung sogar seltsam aufregend.
Andererseits hatte Snape immer ein wenig inkompetent gewirkt, wenn es um menschliche Beziehungen und menschliches Miteinander ging. Er plauderte nicht über Banalitäten und tanzte nie auf den Festen, und mit Sicherheit hatte ihn auch noch nie jemand flirten gesehen. Es schien wenig wahrscheinlich, dass er häufige Verabredungen gehabt hatte, geschweige denn Beziehungen. Aber Hermine fand es – ungeachtet der unfreundlichen Vermutungen, die in dieser Hinsicht über ihn angestellt wurden – ebenso unwahrscheinlich, dass er völlig unerfahren war. Vielleicht etwas aus der Übung. So konnte sie sich gut vorstellen, dass sein Kuss ein wenig unbeholfen sein würde, mit aufeinanderstoßenden Zähnen oder Nasen und ungeschickten Versuchen, den richtigen Winkel zu finden. Sie hatte nicht sehr lange in dieser besonderen Fantasie verharrt. Sie war selbst unsicher genug, und fand, dass zumindest einer der Beteiligten wissen sollten, was er tat. Aber zugegeben, die Vorstellung, eine menschlichere, verletzlichere Seite an ihrem gefürchteten Lehrer zu finden, hatte auch etwas Anrührendes.
Sie hatte dieses Szenario jedoch für sehr unwahrscheinlich gehalten. Auch, wenn er nicht im klassischen Sinne gutaussehend war, so besaß er doch eine dunkle Anziehungskraft, die Frauen vermutlich reizvoll fanden. Die Frage war, ob seine Erfahrungen jemals über die Erfüllung rein fleischlicher Bedürfnisse hinausgegangen war. Letztere waren sicher für einen Mann leicht zu finden. Als Todesser, so hatte sie gedacht, war er vermutlich gezwungen gewesen, an allen möglichen Perversitäten teilzunehmen.
Aber selbst, als sie die Gerüchte über Vergewaltigungen und Ausschweifungen gehört hatte, hatte sie sich nicht vorstellen können, dass er sich willig an solchen Abscheulichkeiten beteiligt hatte. Er konnte grausam sein, keine Frage, aber egal, wie wütend oder hasserfüllt er war – nie hatte er seine Hand gegen einen Schüler erhoben, nie hatte er einem auch nur einen von ihnen ein Haar gekrümmt. Obwohl er eine perfide Freude daran zu haben schien, Unbehagen zu verbreiten und manchmal auch Demütigungen auszuteilen, war sie doch überzeugt, dass er kein Gefallen daran fand, einem anderen Menschen Schmerzen zuzufügen.
Er besaß Leidenschaft, daran hatte sie nie gezweifelt. Wer jemals einem zornigen Professor Snape gegenübergestanden hatte, wußte, dass der Mann zu sehr heftigen Gefühlsregungen fähig war. Man konnte man sie dann in seinen Augen aufblitzen sehen. Je nachdem, mit welchen Frauen er sich abgegeben hatte, konnte sie sich aber gut vorstellen, dass er alles über Lust und Leidenschaft wußte, aber wenig über Liebe. Falls dies der Fall war, würde sein Kuss ungehemmt und leidenschaftlich sein, dunkel und intensiv wie der Mann selbst. Und vermutlich hätte er auch keinerlei Hemmungen und kannte keinerlei Zurückhaltung; er würde ihr den Atem rauben, ihre Sinne entflammen und ihren Körper zum Brennen bringen.
Und doch – in all ihren geheimen Vorstellungen davon, ihn zu berühren und berührt zu werden, hatte sie gedacht, dass es so sein würde... dass sich seine Arme so schützend um sie schließen würden, dass seine Berührung so warm wäre und sein Kuss so zart.
Zuerst waren es nur seine Lippen, die sich gegen ihre bewegten, Haut auf Haut in einer sanften Liebkosung. Die beinahe keusche Geste war jedoch genug, um eine Welle von Wärme über sie hereinbrechen zu lassen und ihren Herzschlag kurz aus dem Takt zu bringen.
Dann strich seine Zunge ganz sacht über ihre Lippen, als würde er ihren Mund nachmalen, umranden, ihn lebendig machen und mit Wärme und Farbe füllen. Sein Kuss verlangte gar nichts, und doch öffnete sie unwillkürlich ihren Lippen und bat wortlos um tiefere Erkundung.
Er nahm die Einladung an, und Hermine erfuhr, wie sich tatsächlich anfühlte, was sie sich in ihren Fantasien so oft ausgemalt hatte.
Er küsste sie, als würde er einen delikaten und höchste Umsicht erfordernden Zaubertrank brauen: Mit Behutsamkeit und Geduld, mit allem erforderlichen Respekt und gleichzeitig mit Sicherheit und Können. Er gab Acht auf jedes Detail, zollte selbst der kleinsten Reaktion höchste Aufmerksamkeit, traute aber seinen Instinkten genug, um Raum zum Experimentieren zu lassen. Er war sorgsam darauf bedacht, nie zu viel Druck aufzubauen oder zu hastig zu sein, was andernfalls schnell alles hätte ruinieren können. Genau wie beim Brauen seiner magischen Tränke wußte er genau, wieviel er hineingeben mußte und wann es Zeit war, die Hitze zurückzunehmen und Aufgewühltes ruhen zu lassen. Die feine Kunst des Zaubertränkebrauens war offenbar nicht die einzige magische Kunst, die er meisterhaft beherrschte.
Umfangen von seinen Armen, eingehüllt in einem Duft von Sandelholz und Kräutern, und völlig überwältigt von ihren Empfindungen, spürte sie, wie sich ihr der Kopf drehte und ihre Beine nachgaben. Hätte er sie nicht fest an sich gedrückt gehalten, wäre sie mit Sicherheit zu Boden gesunken.
Die Berührung seiner Hände, die Wärme seines Körpers, der Geschmack seines Mundes – das alles weckte Gefühle in ihr, die ihr Herumprobieren mit Ron niemals hervorzurufen vermocht hatte. Leidenschaft. Begehren. Der Wunsch, sie könnte in ihm versinken und nie wieder ohne ihn sein. Wenn es das war, worum alle so ein Gewese machten, konnte sie fast glauben, dass ihre Zeit in der Bücherei tatsächlich völlig verschwendet gewesen war. Niemals zuvor hatte sie etwas Ähnliches empfunden.
Schließlich löste er sich sanft von ihren Lippen, sein Gesicht einen Moment lang immer noch nah. Sie verharrte völlig regungslos in seinen Armen, aus Angst, die kleineste Bewegung könnte den Zauber des Augenblicks brechen.
"Atmen, Hermine!" erinnerte er sie mit einem leisen Lachen, als sie so dastand, die Hände in dem Stoff seiner Robe verbraben hatte als würde sie befürchten, er könnte davonlaufen, sobald sie losließ. Ja, der Trieb war durchaus vorhanden, das Bedürfnis, die Distanz wiederherzustellen, sich wieder hinter seine sicheren Mauern zurückzuziehen und wieder unberührbar zu sein. Aber noch stärker war diese Welle von Hochgefühl, die ihn ergriffen hatte, von Wonne und reiner Glückseeligkeit, die ihn zögern ließen, sie loszulassen. Süße Nimue... das hatte er ganz sicher nicht erwartet. Und sie ganz offenbar auch nicht.
"Wow..." murmelte sie schließlich in grenzenloser Verwunderung, und fühlte sich, als sei sie soeben das Bewusstsein wiedererlangt.
"Ja," sagte er trocken. "Das fasst es ganz gut zusammen." Er hatte Schwierigkeiten, Worte zu finden. Warum jetzt auf einmal, zwanzig Jahre zu spät? Warum ausgerechnet sie – eine so junge Hexe, seine Schülerin? Ein verdammte Gryffindor, Harry Potters beste Freundin? War er so ausgehungert nach menschlichem Kontakt, nach einer Geste der Zuneigung und ein wenig Mitgefühl, dass es ihn so überwältigte? Wie konnte so ein schmächtiges Mädel eine solch starke Reaktion hervorrufen – nur mit einem simplen Kuss?
Obwohl, wenn er ehrlich war, dann war nichts an diesem Kuss simpel gewesen. Ganz besonders nicht an dem, was dazu geführt hatte – und das war vermutlich das Herz aller Dinge. Sein Herz. Irgendwie hatte sie es geschafft, es zu finden und anzurühren – trotz all der Schutzwälle, die er über die Jahre hinweg darum errichtet hatte.
Vermutlich sollte ihn das nicht überraschen. Wenn er ehrlich war, hatte der Angriff schon vor Jahren begonnen. Sie war ihm unter die Haut gegangen, ohne es zu beabsichtigen und ohne je Notiz davon zu nehmen. Er hatte ihr erlaubt zu glauben, dass er sich selbst in ihr erkannt hatte als sie ihren Lerneifer und ihre Wissensdurst diskutiert hatten. Es war sicherlich richtig – sie hatten ein Menge gemeinsam – aber trotz ihres gemeinsamen Interesses in Bücher und Lernen, hatte sie ihn – mehr als an ihn selbst – immer an Lily erinnert. Ihr bezaubernder Geist, ihr Strahlen, die Wildheit, mit der sie kämpfte, wenn es darum ging, ein vermeindliches Unrecht zu beseitigen... selbst ihr weiches Herz, ihre Offenheit, ihr Mitgefühl.
Mit dem Junge-der-wie-James-ausssah und ihr, dem Mädchen, die ihm wie eine Reinkarnation seiner Lily vorkam, war es, als wäre ein Geist seiner Vergangenheit erschienen um ihn zu quälen. Manchmal war es nahzu unerträglich gewesen.
Und es war nicht wirklich eine Erleichterung gewesen, als er in späteren Jahren feststellen mußte, dass ihre Ähnlichkeit mit Lily gar nicht so tief ging wie er gedacht hatte. Anders als Lily war Hermine kein allseits beliebtes Mädchen, sie hatte nichts von Lilys Leichtigkeit, ihrer Koketterie oder ihrer Eitelkeit. Statt dessen besaß sie einen Loyalitätsinn in einer Tiefe, die Lily nie gehabt hatte.
Die meisten Schüler dachten, dass ihr Zaubertränkelehrer nichts von ihren privaten Umständen zur Kenntnis nahm, da er so wenig Anteilnahme daran erkennen ließ. Aber er war immer schon ein sehr guter Beobachter gewesen, etwas, das einfach dazugehörte, wenn man ein Spion war. Und er hatte mehr als einmal mitbekommen, wie ihre beiden Freunde sie mit ihrer Ignoranz und ihren lockeren Mundwerken verletzt hatten, aus denen die Worte oft schneller hervorbrachen als ihr Verstand Schadensbegrenzung betreiben konnte. Und dennoch – sie hatte ihnen immer verziehen. Himmel, sie hatte sogar Draco verziehen, dass er sie Schlammblut genannt hatte, und hatte nach dem Krieg einem vorsichtigen Waffenstillstand mit ihm geschlossen. Und Draco war nie ein Freund gewesen, sondern ihr Feind.
Ihre Fähigkeit, zu vergeben ging über alles hinaus, was er je gesehen oder erfahren hatte. Wäre Hermine Granger damals seine Freundin gewesen, und nicht Lily, dann hätte sie ihm verziehen, dass er sie so verletzt hatte wie er Lily verletzt hatte. Sie hätte ihm nie ihre Freundschaft entzogen.
Und nun, nur mit Freundlichkeit, Mitgefühl und ihrem unglaublichen Verstand, hatte sie es geschafft, alle seine Selbstverteidigungsmechanismen lahmzulegen, so dass er nun dastand in seiner Blöße – entwaffnet und angreifbar.
Es verstörte und fesselte ihn gleichermaßen. Aber was auch immer diese seltsamen Gefühle waren, die sie unwissend freigelegt hatte, er konnte es sich nicht erlauben, sie zu hegen und zu sehen, was aus ihnen vielleicht erwachsen könnte.
Er war ihr Lehrer, er war zu alt und zu versehrt für ein junges und unschuldiges Mädchen wie sie, sowohl physisch als auch emotional. Und das war nur der offensichtlichste Grund, warum er nie hätte handeln dürfen, wie er es getan hatte; warum er nicht diesem Moment der Schwäche hätte nachgeben dürfen. Sie waren zwei unterschiedliche Pole – er war verdorben, sie war rein, seine Seele war dunkel, ihre strahlte hell. Er war ein Einzelgänger, ein Einsiedler, ein Ausgestoßener – sie war gesellig, hatte Freunde und wurde von vielen gemocht.
Und doch... Während sein Verstand insistierte, dass da niemals etwas sein würde oder sein dürfte und gewissenhaft aufzählte warum das, was er getan hatte und was er fühlte, völlig falsch war – schrie sein Herz, das vor langer Zeit gelernt hatte, still zu sein, mit freudig erregter Stimme heraus, dass endlich etwas absolut und vollkommen richtig war in seinem Leben.
"Was nun?" fragte Hermine hilflos, als ihr Denkvermögen endlich zurückkehrte, und damit auch die kalte Realität ihrer Situation.
Sie hatte soeben einen Lehrer geküsst und war von ihm geküsst worden. Nicht irgendeinem Lehrer, sondern ihrem gestrengen und unnahbaren Zaubertranklehrer. Und sie hatte jede Sekunde davon geliebt. Großer Gott – vielleicht liebte sie sogar ihn. Wie konnte es sein, dass sie ihr das nie zuvor klargeworden war? Es war keine Schwärmerei, Heldenverehrung oder einfach die Bewunderung eines brillianten Genies. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Sie könnte den ganze Tag lang seiner Stimme lauschen und jede Bewegung seiner Augenbrauen studieren um herauszufinden, welche Gefühle sie wohl offenbarten. Sie wollte in seinen Armen bleiben, die sich so warm und so – richtig – angefühlt hatten. Sie wollte ihn noch einmal küssen. Aber das würde er nicht zulassen. Dem Rest der Welt war es egal, ob es sich für sie richtig anfühlte.
Er seufzte schwer. "Nun gehen Sie zurück in Ihren Schlafsaal, und wir werden uns am Montag im Zaubertränkeunterricht sehen. Ich werde Hauspunkte abziehen für die Tatsache, dass Sie so neunmalklug sind, und Sie werden Ihren meistgehassten Lehrer im Stillen verfluchen..."
"Niemals! Sie können nicht so tun, als wäre nichts geschehen... nicht nach dem hier!"
"Nichts hat sich geändert, Miss Granger," sagte er, und entfernte sich mit seinen Worten und seinem Körper. Seine Stimme war jedoch sanft, und seine Augen voll des Bedauerns. "Für den Rest des Schuljahres, das zweifelsohne nie so lang erschienen sein wird, werden Sie meine Schülerin bleiben, und ich Ihr Lehrer. Sie werden Ihre NEWT Prüfungen ablegen – vermutlich mit lauter 'Ohnegleichen', abgesehen vielleicht vom Zaubertrankbrauen..." Sie sah in finster an, was ihn noch einmal leise lachen ließ, "... und dann, wenn Sie Ihr Abschlusszeugnis in der Hand haben, werden Sie noch einmal zu mir in den Kerker kommen – falls Sie das dann immer noch wünschen sollten."
Sie sah ihn mit einem Ausdruck an, der zwischen Hoffnung und Entsetzen schwankte. "Sie wollen, dass wir weitere acht Monate warten, bevor wir herausfinden, was es mit diesen Gefühlen auf sich hat, die wir ganz offensichtlich beide noch vor einer Minute so intensiv gefühlt haben?"
"Oh, ich denke, wir wissen bereits sehr genau, was für Gefühle das waren..." antworte er mit einem bedeutungsvollen Blick.
Hermine verengte die Augen. "Ich hoffe, Sie versuchen jetzt nicht, mir zu sagen, dass es nur Lust gewesen wäre..." begann sie, in Sorge, dass er dies als neue Ausrede benutzen könnte, um sich vom Geschehenen zu distanzieren und es herunterzuspielen. "Denn wenn das Ihre Absicht, ist, so muß ich Ihnen sagen..."
"Das tue ich nicht," unterbrach er, ohne noch etwas weiteres zu sagen, aber seine Worte waren bedeutsam genug.
"Oh..." murmelte sie, überrascht von seinem subtilen, aber dennoch sehr klaren Bekenntnis. "Und... Sie wollen dennoch, dass wir uns voneinander fernhalten für den Rest des Schuljahres?"
"Ja. Es muß sein – um unserer beider Willen."
"Ich weiß nicht, ob ich so stark bin..."
"Dann werde ich stark genug sein für uns beide," sagte er entschiedenem Ton. "Hermine – es gibt nicht viel auf das ich stolz bin. Willst du mir den letzten Rest Stolz nehmen, den ich besitze und mich den Eid brechen lassen, den ich geleistet habe, als ich ein Lehrer wurde?"
Sie ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn langsam. "Nein."
"Acht Monate sind um wie nichts. Sie sind allenfalls Zeit genug für dich um dir über deine Gefühl klarzuwerden – um Erfahrungen zu machen, um ein paar Jungen zu küssen, um Merlins Willen. Herausfinden, was du wirklich willst."
"Ich weiß bereits, was ich will," sagte sie mit voller Überzeugung, und hob den Blick wieder, um ihm in die Augen zu sehen. "Vorher konnte ich mich nicht sicher sein, aber jetzt..."
Er klang zweifelnd. "Du bist noch so jung..."
"An Jahren, vielleicht," sagte sie und hob die Schultern. Dann lächelte sie, aber es war ein etwas trauriges Lächeln. "Es spielt keine Rolle. Ich verstehe es, und ich verstehe deine Entscheidung. Ich weiß, dass acht Monate rein gar nichts ändern werden. Wirst du auf mich warten?"
"Auf dich warten?" Er schloß kurz die Augen und holte tief Luft. Er hatte gut zwanzig Jahre darauf gewartet, dass ihm so etwas widerfuhr. Obwohl – wenn er ehrlich war, dann hatte er schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gewartet. Er hätte nicht zu hoffen gewagt, dass es noch möglich wäre... "Was denkst du wohl?"
Ihr Lächeln wurde etwas heller. "Dann ist alles gut, Severus," sagte sie, und nannte ihn bewusst bei seinen Vornamen. Sie hatte das Recht dazu, wenigstens in diesem Moment. "Ich sehe dich im Sommer wieder. Darauf kannst du wetten."
Zum zweiten Mal an diesem Abend strebte sie zur Tür, und auch dieses Mal hielt sie inne, als sie sie geöffnet hatte.
"Gute Nacht, Professor Snape – und haben Sie vielen Dank – für alles."
"Sehr gerne geschehen, Miss Granger," antwortete er, bevor die Tür hinter ihr ins Schloß fiel. "Ihnen ebenfalls eine gute Nacht."
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Da dies eine Art Kammerspiel war, muß die Geschichte leider hier enden, von wo aus ihr sie dorthin führen könnt, wo ihr sie haben wollt.
Wenn ihr mich fragt, so habe ich Zweifel, ob Severus und Hermine es wirklich schaffen, sich acht lange Monate voneinander fernzuhalten. Sie war schon viel zu lange in seinen Bann und er war schon viel zu lange alleine.
Ich vermute also, er wird sie im Zaubertrankunterricht weiterhin ein 'Fräulein Neunmalklug' nennen, vielleicht sogar öfter als zuvor, aber es wird einen andern, tieferen Sinn für beide haben, einen, den sich die ahnungslosen anderen Schüler nicht mal im Traum vorstellen könnten, und es wird dabei ein liebevoller Unterton mitschwingen, der sonst niemanden auffallen wird.
Sie wird ihn entspannt anlächeln, egal, wie bissig seine Kommentare sind oder wie harsch seine Kritik ausfällt, denn sie wird das, was er wirklich fühlt, in seinen Augen sehen, denn sie ist inzwischen sehr gut darin geworden, den Code seiner Augenbraubewegungen zu entschlüsseln. Nur sehr selten wird sie in seiner Klasse auffällig werden, so dass er gar nicht anders kann, als sie nachsitzen zu lassen, für mangelnden Respekt gegenüber ihrem Lehrer. (Und weil es hierzu schon mal besorgte Anfragen gab: Natürlich wird Hermine nur auf sehr respektvolle Weise respektlos sein, und vermutlich auch nur dann, wenn ihr Professor einmal besonders hart zu einem seiner unterirdischen Zaubertrankschüler ist.)
Wenn es das erste Mal passiert, wird Severus sie eine Weile Kessel schrubben lassen – schließlich hat sie bewusst seine Entscheidung nicht respektiert, dass sie voneinander Abstand wahren wollten und nur innerhalb klar abgesteckten Grenzen miteinander Umgang pflegen.
Aber er wird ihr die guten Reinigungsmittel geben, und er wird die neusten Artikel in "Zaubertränke der Woche" mit ihr diskutieren, während sie arbeitet – unter anderem. Er wird sehr darum bemüht sein, hinter seinem Schreibtisch zu bleiben und völlig ruhig und gelassen auszusehen dabei.
In späteren Nachsitz-Stunden (vielleicht werden sie auch stattdessen arrangieren, dass Hermine an einem fortgeschrittenen Zaubertränkeprojekt arbeitet, was ihnen Gelegenheit gibt, Zeit miteinander zu verbringen, ohne Hermines Ruf als Musterschülerin zu ruinieren) wird sie an seinem Schreibtisch sitzen und die Hausaufgaben der Erstklässler mit ihm korrigieren. Vielleicht sieht man Servus und Hermine auch einträchtig Seite an Seite arbeiten, den Vorratsschrank sortieren und eine Bestandsaufnahme der Zaubertrankingredenzien machen. Manchmal wird er ihr auch gestatten, bei dem Brauen der Heiltränke für den Hospitalflügel zu helfen, und das sicher nicht unter dem Vorwand von Strafarbeit.
Und immer wird er ihr anschließend eine Tasse Tee anbieten (keinen Feuerwhisky, tut mir leid!), und den steifen Holzstuhl wieder in einen weichen Armsessel verwandeln. Diese Abende, so selten sie auch sein mögen, werden in diesen Monaten ihr Lichtblick sein, in denen Hermine für ihre NEWTs lernt als gäbe es nichts anderes im Leben. Und die ganze Zeit haben ihre Freunde keinen blassen Schimmer davon, dass ihr Leben wohl aufgehoben im Kerker auf sie wartet.
Ich weiß nicht, ob es Hermine gelingen wird, ihm ab- und zu einen Kuss zu rauben. Vielleicht. Ganz sicher aber nicht in den Fluren.
Das kommt erst sehr viel später, wenn sie seinen Ring trägt und er endlich zu der Überzeugung gelangt ist, dass es völlig in Ordnung ist, in der Öffentlichkeit auch mal zu lachen...