Irgendwann habe ich meine "Mannschaft", die nun zusätzlich aus einer Frau besteht, dann beisammen. Wie eine Kindergartengruppe vor dem Ausflug, aufgereiht wie Orgelpfeifen, stehen sie alle aufgereiht in meinem Wohnzimmer, und rein gedanklich schüttele ich den Kopf, als ich sie betrachte.

Ein kleiner, bärtiger Mann, der locker als eine Kurzausgabe eines der Mitglieder von ZZ Top durchgehen könnte.
Eine junge, blonde Frau, ein gutes Stück größer als der kleine bärtige Mann aber immer noch kleiner als ich, mit Pferdeschwanz, Jeans – unten hochgekrempelt, da zu lang - und rosa-lachs schimmerndem Top.
Zwei ziemlich große, aber sehr schlanke junge und verdammt gutaussehende junge Männer, welche die langen blonden Haare mit Stirnbändern zurückhalten; beide in Bermudas und T-Shirts – einer der beiden scheint "zu verkaufen" zu sein.
Und dann noch ein sehr großer, unglaublich muskulöser und ziemlich dunkelhäutiger junger Mann, welcher auch als Sohn von Ralf Möller und Fats Domino durchgehen könnte – wenn die beiden einen Sohn haben würden; bekleidet mit abgeschnittenen Jeans (Danke, Gott, Göttin und / oder wer-auch-immer, daß ich im Keller unter meinen Flohmarktsachen noch eine alte Hose meines leicht übergewichtigen Vaters hatte!) und einem schwarzen Netzshirt, welches eigentlich die schnell gemachte Umarbeitung eines ehemaligen gleichfarbigen Mückennetzes ist.

Ja, mit dieser Truppe kann ich mich in die Stadt wagen, denke ich. Die Reeperbahn ist sowieso derartig angefüllt mit Freaks, daß diese seltsamen Gestalten auch nicht besonders viel Aufsehen erregen werden...

Ein Taxi – denn 5 Leute außer mir passen wirklich nicht in mein Auto – ist schnell gerufen, und es ist auch noch so geräumig, daß Uglùk fast aufrecht sitzen kann. Der Taxifahrer ist ungewöhnlich zurückhaltend für einen eben solchen; das könnte natürlich auch daran liegen, daß Uglùk neben ihm vorne sitzt und ein bisserl blöde alles kommentiert, was er sieht – und das ist eine ganze Menge.

"Guckt mal, Leute! Oh, guckt mal, Autos! Da ist ein Baum!..."

Nach ungefähr 40 Sekunden wird das Verhalten irgendwie nervig; und als wir an der Reeperbahn ankommen, ‚sieht' er immer noch jede Menge Sachen, die irgendwie kein anderer von uns sehen möchte.

Irgendwann ergreift Éowyn das Machtwort.

"Ugluk – bittebitte – wir sind nicht blind."

Er scheint überrascht.

"Ich weiß, ja und?"

"Du brauchst uns nicht ständig zu sagen, was wo ist. Wir sehen das selbst."

Er ist natürlich beleidigt, doch als Éowyn und ich anfangen, genau darüber hemmungslos zu lästern – typisch Mann, lässt sich nix sagen, beleidigte Leberwurst etc – dreht er den Spieß um und versucht, Haldir, Legolas und Gimli zum Lästern über uns zu bewegen, was aber fehlschlägt.
Stattdessen hacken die auch noch verbal auf ihn ein – blöder Uruk, hässlich wie die Nacht und doof wie'n Mallornbaumblatt und so – bis ihm fast die Tränen kommen.
Daraufhin lästern Éowyn und ich über eben genau die drei – Typisch Kerle, Rudelverhalten und so – und bevor die Situation wirklich eskalieren kann, sind wir am Dollhouse angekommen.

Es ist voll – natürlich ist es voll. Es ist immer voll, ich hatte es noch nie leer erlebt.

Zur Verwunderung aller tausche ich mein Papiergeld gegen anderes Geld, als ich den Eintritt entrichte – Dollhouse-Dollars, die ich gerecht an alle verteile; wobei ich nicht vergesse, für Éowyn und mich mehr zu verteilen als für die anderen...

Haldir schaut sich die grünschwarz bedruckte Note näher an.

"Da ist ja eine nackte Frau drauf!" Entfährt es ihm, als wir an der Garderobe die Jacken abgeben.

"Ja, das ist ein Dollhouse-Dollar."

"Interessant – und wozu ist der?"

Mir wird klar, daß ich vor allem die Herren der Schöpfung, Verzeihung, des Zelluloids, eventuell etwas besser auf das Dollhouse hätte vorbereiten sollen. Im Gang zum Innenraum ziehe ich sie alle zu mir heran, und versuche mir kurzen, klaren Instruktionen schon im Vorfeld die Gefahr eines Rauswurfes zu reduzieren.

"Okay," brülle ich über die Musik, "wir suchen einen freien Tisch für uns, das kann etwas dauern. Egal, was ihr da drin seht – es wird niemand angefasst; denn auch wenn es zum Teil so aussehen mag – da drin darf man niemanden anfassen, sonst sind wir schneller wieder draußen als Legolas seine Haare nach hinten schmeißen kann. Einfach nur mir folgen – aber nur mit den Augen gucken, nicht mit Händen, Füßen, Pranken, Klauen oder mit was ihr sonst so ausgestattet seid. Nur mir folgen, bis wir einen Tisch gefunden haben. Klar soweit?"

Nicken von 5 Köpfen. Na gut, denke ich – schlimmer als die Firmenfeiern der Firma, bei der ich mal beschäftigt war und die ebenfalls immer an diesem Ort ihren Ausklang fanden, kann es nicht wirklich werden...

Ich kann es kaum fassen.
Auf der linken Seite neben der Bühne, auf dem Plateau, finden wir ernsthaft einen leeren beziehungsweise frisch aufgegebenen Tisch, denn die leeren Gläser stehen noch drauf. Ich freue mir einen Bär und pflanze mich, denn von hier aus kann man sowohl die Bühne als auch die Theke sehen.

Fünf andere setzen sich zu mir und schauen sich erstaunt um, nur um ausnahmslos mit den Augen an der Bühne hängen zu bleiben, auf welche nun kollektiv und schamlos geglotzt wird.

Auf eben dieser Bühne bewegt sich gekonnt ein schlankes, weibliches Wesen mit verdammt wenig Bekleidung und halblangen braunen Locken. Die Nummer mit der Stange kenne ich schon – die, wo quasi im Spagat an der Stange hoch- und heruntergeturnt wird – doch ich erinnere mich lächelnd an das erste Mal, wo ich diese Nummer zu sehen bekam, und weiß daher, welchen seltsamen Oho! – Effekt die Betrachtung dieser Darbietung auslösen kann.

Die Augen meiner Begleiter – männlich wie weiblich – werden groß, größer, sind zum Schluß in extremer Gefahr, herauszufallen. Ich erkenne, daß es mir als Dollhouse-Kenner viel mehr Spaß macht, die anderen zu beobachten, als mir das Treiben auf der Bühne anzusehen, und fahre damit fort.

Nach wenigen Minuten ist die Nummer beendet, und es läuft vorläufig nur Musik; aber die anderen tragen immer noch diese seltsam-verblüfft-sabbernden Gesichtsausdrücke.

"Na, Leute," beginne ich grinsend nicht zuletzt deshalb, um sie dazu zu bringen, ihre Kinnladen wieder zuzuklappen, bevor ein Insekt darin landet, "fein das, gell?"

"Das war..." Beginnt Haldir.

"Ich weiß gar nicht, wie..." Fährt Legolas fort.

"Gütiger Eru! Nie habe ich ein solch artistisches Paarungsritual gesehen." Sagt Gimli, und ich wundere mich über so einen perfekt konstruierten Satz angesichts der Tatsache, daß die Dame, die gerade auf der Bühne war, eigentlich dafür bekannt ist, männlichen Wesen mit entsprechenden Bewegungen mehrfach die Gehirnwindungen zu verquirlen.

"Uff," bringt Éowyn hervor, das war schon ziemlich..."

Uglùk bringt es schließlich auf den Punkt. "Wenn die auf einem drauf ist, die bringt dich um. Mami!"

Mir persönlich fällt auf, daß ich solche und ähnliche Sätze schon mehrfach von meinen Arbeitskollegen bei früheren Besuchen gehört hatte...