Author's notes: Die Originalbezeichnungen für ZAGs (OWLs) und UTZs (NEWTs) wurden beibehalten. Da aber das Konzept der Zaubererlevel in PoA meiner Meinung nach ohnehin falsch übersetzt wurde (wie scheinbar so vieles anderes), habe ich da wenig Gewissensbisse. Ich kenne die deutschen Bücher nur durch kurzes Überfliegen, habe aber versucht mich mit dem Rest des Texts an ihnen anzupassen.
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Dieses Mal war Albus zu weit gegangen.

Snape stürmte missmutig aus Dumbledores Arbeitszimmer, hinunter zu den Kerkerräumen, um seinen Unterricht für die Zweitklässler vorzubereiten.

Fünf Jahre. Fünf Jahre hatte er das Gesicht des Jungen ertragen müssen, und obwohl andere ihm widersprechen würden, so hatte er doch große Geduld bewiesen. Hatte hartnäckig den Versuchen des Gryffindors entgegengearbeitet, sich allzu sehr hervorzuspielen. Was sehr viel Mühe gekostet hatte, und nicht immer erfolgreich war.

Aber Potter war jetzt nicht mehr sein Problem. Oder hätte es zumindest nicht mehr sein sollen.

Nach Potters erwartungsgemäß durchschnittlichen Erfolgen bei seinen OWLs, hatte Snape die Möglichkeit ihn von seinem Unterricht "Zaubertränke für Fortgeschrittene" auszuschließen. Snape stand es frei, jeden der kein "Außergewöhnlich" vorzuweisen hatte, abzulehnen. Somit konnte er mit dem Destillat aus den letzten fünften Klassen aller vier Häuser arbeiten. Es sollte eine Klasse sein mit weniger Inkompetenz, Faulheit und genereller Idiotie. Schüler, die er tatsächlich auf die Ebene von Menschen heben würde. Potter hatte dort nichts zu suchen.

Hätte Albus nicht interveniert.

'Tee, Severus?' Jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die Worte keine Höfflichkeitsgeste Dumbledores waren, sondern eine Drohung. Jedes Mal wenn er sie hörte, wusste er, etwas Unangenehmes würde folgen. Wie sich gerade eben ein weiteres Mal bestätigt hatte.

Der Bengel musste Albus irgendwie weich geklopft haben, dass war sicher. Wahrscheinlich hatte er ein wenig auf die Tränendrüse gedrückt, jetzt da sein vermaledeiter Pate verschieden war.

Und dieses Mal hatte Albus Snape großzügigerweise ganze zwei Tage vorher Bescheid gegeben, um sich mental vorzubereiten, bevor er die Sechstklässler zum ersten Mal im Schuljahr unterrichten würde. Er hätte dem alten Herrn durchaus zugetraut, ihn im Dunkeln zu lassen, bis er dann aus Potters persistenten Präsenz in seinem Unterricht mit kühler Logik schlussfolgern durfte, dass Albus schon wieder einmal ein schiefes Ding gedreht hatte.

Gryffindorfairness. Ha!

Snape schritt hastig in sein Klassenzimmer, registrierte aber nicht, dass die Tür weit offen gestanden hatte. Vorne am Pult, nahm er einen Stapel Pergamentrollen mit Prüfungsfragen für die Zweitklässler aus einer Lade heraus und kontrollierte vorsichtshalber schon im Voraus, ob er noch genug an roter Tinte in seinem Tintenfass hatte. Es war über die zwei Monate Semesterferien fast vollständig ausgetrocknet. Snape verplante kurzerhand seinen Abend damit, am See Purpurschnecken ernten zu gehen.

Erst als er mit ruckartigen Bewegungen die Zutaten für den heutigen Tag auf eine Werkbank auslegen wollte, bemerkte er, dass er nicht allein im Raum war. Hinten in der letzten Reihe saß jemand.

Snape verfluchte kurz seine Unaufmerksamkeit, richtete sich langsam auf und drehte sich so unheilvoll wie möglich zu entsprechender Person um.

Longbottom. Noch so einer! Noch einer, den er nie wieder unterrichten musste. Was tiefe Erleichterung in Snape auslöste, denn dieser Knabe war die personifizierte Inkompetenz.

Was zum Teufel wollte der Junge bloß hier? Er traute ihm ja einiges zu, aber nicht einmal Longbottom konnte vergessen haben, dass er dieses Fach in diesem Jahr nicht belegt hatte. Vielleicht hatte sich der Tölpel verlaufen.

"Mr. Longbottom! Was, wenn Sie mir die Frage gestatten, haben Sie hier verloren?" Snape vollführte mit einem Arm eine ausladende Geste, die das gesamte Klassenzimmer umfasste, und da Snape eben Snape war, womöglich auch den Kerkerkomplex und ganz Hogwarts.

"Sir?" kam die nervöse Antwort.

"Longbottom, ich habe Ihnen eine sehr einfache Frage gestellt, die selbst Sie in der Lage sein sollten zu beantworten."

Der Junge stand langsam auf und kam auf Snape zu.

"Uhm. Sir, ich wollte sie etwas fragen," sagte Neville, und spielte nervös mit seinen Händen. Snape sah auf die kleinen, dicklichen Finger herab, und bemerkte, dass die Fingernägel bis nach hinten abgenagt waren.

Snapes Lippen verzogen sich mit Abscheu, und er verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Stellte sich sogar etwas breitbeiniger vor Neville hin. "Nur zu. Stellen Sie Ihre Frage. Wenn das hilft Sie dadurch eher aus meinen Räumlichkeiten zu entfernen."

"Ich - ich wollte wissen, ob Sie mich vielleicht - ich meine, ob Sie vielleicht bereit wären," druckste Neville herum, und Snape verlor rasch die Geduld.

"Raus damit!" herrschte er ihn an.

"Würden sich mich in Ihre Klasse aufnehmen?" brach es aus Neville hervor. Beide starrten sich gegenseitig mit überraschten Gesichtern an.

Snapes verfinsterte sich schnell. War das ein Witz? Ein Streich, zu den die anderen Gryffindors den Bengel angespornt hatten?

"Wie bitte?" sagte er mit gefährlichen Ton in der Stimme.

Neville, der sich noch nicht davon erholt zu haben schien, sein Anliegen vorgebracht zu haben, starrte mit leicht wässrigen Augen zu Snape hinauf; schien sich nicht mehr bewegen zu können.

"I-In Ihren Fortgeschrittenenkurs. Ich würde gerne -,"

"Sie würden gern," wiederholte Snape mit ebenem Ton. "Und warum sollte ich wohl noch zwei Jahre im Angesicht Ihrer Unfähigkeit verbringen wollen? Zwei Jahre mit Ihrer Ungeschicktheit; mit misshandelten Wurzeln, endlosen Reihen von stümperhaft zusammengebrauten Tränken, und einem Kesselverbrauch der den gesamten Industriezweig durch eine wirtschaftliche Stagnation verhelfen könnte. Warum also?"

"Weil," sagte Neville, jedoch sehr unsicher und schwach. "Weil es wirklich eine Leistung für Sie wäre wenn Sie mich durchbringen würden?"

Idiot.

Snape starrte Neville mit verengten Augen an. Wer hatte ihm denn den Unsinn eingeredet? Fünf Jahre, und der Bengel bewies eine derartig eklatante Fehleinschätzung von Snapes Wesen. Was kümmerte es denn Snape wie es Longbottom in seiner Schullaufbahn erging. Snape hatte keinerlei Ambitionen, Schüler die nicht die entsprechenden angeborenen Fähigkeiten besaßen und nicht zur Arbeit bereit waren, durch Hogwarts zu schleusen. Noch dazu mit einem guten Abschluss.

Zeit dem Jungen ein wenig Realitätsnähe beizubringen.

"Longbottom. Sie wissen, dass Sie nicht die erforderlichen Leistungen in Ihren OWLs erbracht haben, die ich zur Voraussetzung für die Teilnahme an meinem Kurs bestimmt habe?"

"Ja, aber ich dachte, da Sie doch Harry -,"

"Potter!" zischte Snape, und Neville zuckte zusammen. "Potter hat nichts mit dieser Angelegenheit zu tun. Potter hat keinerlei Einfluss darauf wie ich meinen Kurs gestalte oder wen ich darin aufnehme, und Sie, Longbottom, täten gut daran, dass nicht zu vergessen!"

Sachte, sachte, tadelte sich Snape. Er hatte genug Zeit - die nächsten zwei Jahre um genau zu sein - seine Wut an Potter selbst auszulassen. Longbottom war Ärgernis genug, um seinen ganz persönlichen Wutausbruch zu provozieren.

Neville schniefte einmal kurz, und aus irgendeinem Grund assoziierte Snape es sofort mit Schwäche. Die dazu auch noch öffentlich zur Schau getragen wurde.

Ja, Longbottom war sehr wohl in der Lage einen ganz persönlichen Wutausbruch zu provozieren.

Er musterte den Jungen lange, der mittlerweile leicht gebückt dastand, als ob er sich von einem körperlichen Schlag wegducken würden, den er jeden Augenblick erwartete; Longbottoms Augen waren weit geöffnet und unsicher, aber er vermied direkten Augenkontakt.

Er war direkt versteinert vor Angst. Das war nichts Neues.

Warum also sollte der Junge sich freiwillig hierher begeben und sich demütigen lassen. Und dieses Erlebnis auch noch auf weitere zwei Jahre ausdehnen wollen. Er musste doch wissen, dass er hier nicht mit Samthandschuhen angefasst werden würde.

Mit dem Jungen stimmte etwas nicht.

"Also Longbottom. Ich muss gestehen, ich werde aus Ihnen nicht schlau. Warum wollen Sie in meinen Kurs?"

"Weil ich denke, dass ich gut darin sein könnte, Sir," kam die zögerliche Antwort, in der aber ein guter Batzen plumper Gryffindorcourage mitschwang.

"Welcher Teufel," sagte Snape mit Tücke, "hat Sie denn geritten? Ich muss Sie kaum an Ihre bisherigen Leistungen erinnern. Wenn Sie diese als 'gut' in Ihrem Gedächtnis haben, haben Sie die gesamte Skala umdefiniert. Und, ganz abgesehen davon ist 'gut' nicht ausreichendes Zugangskriterium. Und glauben Sie mir, unter welchen Illusionen Sie auch immer bezüglich Ihrer Leistung stehen mögen, ein 'außergewöhnlich' werden Sie niemals zu Stande bringen."

Anstatt wie gewöhnlich zu einem Häufchen Elend zusammenzuschrumpfen, sah Snape wie Neville wütend wurde. Die Röte in seinem Gesicht kam dieses Mal nicht von Scham allein.

Interessant.

"I-Ich bin sehr gut in Kräuterkunde und kann fast alle Stoffe aus 'Tausend Zauberkräuter und -pilze' aufzählen nach Verwendungszweck -,"

"Das ist wohl kaum ausreichend um -," warf Snape dazwischen, doch Neville war wie eine schwerfällige Eisenbahn die - einmal in Bewegung gesetzt - nicht mehr zu stoppen war; und so fuhr er unbeirrt fort als ob er Angst davor hatte, was passieren würde, wenn er aufhörte zu reden.

"- und ich denke ich werde mir die Herstellungsverfahren genauso gut einprägen können wie die Zutaten, darin war ich immer schon nicht schlecht. Außer in Tests, aber das lag nicht daran, dass ich nichts weiß, sondern daran, dass ich zu nervös bei Tests bin."

Stille folgte, in der sich Neville schließlich bewusst wurde, wie finster Snape ihn anstarrte.

"Longbottom, wagen Sie es nie wieder mich zu unterbrechen. Verstanden?" Snapes Stimme war leise und schneidend.

"J-ja , Sir."

"Wie ich eben schon sagte, bevor Sie mich so rüde unterbrachen: Wissen um die Herstellung und Inhalt von Tränken ist kaum ausreichend für deren erfolgreiche Zubereitung. Es bedarf Disziplin und Fingerspitzengefühl. Und ein gewisses Maß an Körperkontrolle. Sehen Sie sich doch Ihre Hände mal an."

Beide blickten auf Nevilles schwach zitternde Hände hinab. Neville umklammerte sofort eine Hand mit der anderen und presste beide gegen seinen Bauch, um sie ruhig zu halten.

Der Junge wollte es scheinbar nicht einsehen. Na schön, dann würde Snape das so gerühmte Wissen testen.

"Glauben Sie wirklich Sie wären jetzt - da Sie zittern wie Espenlaub - in der Lage, sagen wir, die richtige Prise Quarzsand in den Aperio-Trank zu mischen; glauben Sie wären imstande den feinen Übergang von Aquamarin zu dunklem Amethyst zu erkennen, um abzuschätzen, wann genug Quarz in der brodelnden Flüssigkeit ist?"

"J-Ja. Sir," stotterte Neville automatisch, sichtlich erschrocken, dass der Unterricht scheinbar schon losging. Um Snapes Lippen spielte ein grausames Lächeln. Etwas wie ein Schluckauf durchfuhr Neville. "Wenn - wenn Quarz wirklich in Aperio reingehören würde. Was es nicht tut, S-sir , sondern Platinpulver."

Snape dreht sich mit wehenden Roben um.

"Mr. Longbottom. Dieses Kleinod an Wissen wird Ihnen auch nicht helfen mich zu überzeugen. Gehen Sie. Ich bin sicher Sie haben bald Unterricht."

"Aber -"

"Longbottom." sagte Snape noch einmal warnend.

Die erwarteten, sich entfernenden Schritte blieben aus. Snape kniff sich den Nasenrücken. Das Erlebnis vor zwei Monaten in den Tiefen des Zaubereiministeriums schien Longbottom unerwartete und unangebrachte Courage eingeflößt zu haben. Verdammter Gryffindor. Wie der Rest, hatte auch er mehr Mut als Verstand. Vielleicht war Potters Paket an Altruismus, fehlgeleiteten Muts und Naivität auch einfach nur ansteckend. Wer wusste schon wie viel Einfluss der Junge auf den Rest im Gryffindorturm ausübte. Vielleicht - vielleicht war dies etwas wogegen Snape arbeiten konnte. Angefangen mit - Longbottom. Er konnte Longbottom ins offene Messer laufen lassen, ihn weiterhin demütigen, und ihm auf eindringlichste Art beweisen, dass Potters Weg nicht der einzige war.

Er bezweifelte es sehr, aber vielleicht erwies sich der Bursche ja zum Schluss doch fähiger als gedacht.

Er blickte zurück auf Neville, der die Lippen zusammengepresst hatte und versuchte möglichst den Eindruck von Standhaftigkeit zu vermitteln.

"In Ordnung, Mr. Longbottom," sagte Snape, und Nevilles Mund öffnete sich in Verblüffung. "Sie bekommen eine Probezeit bei mir um sich zu bewähren. Danach werde ich Ihre Fähigkeiten, oder deren Mangel neu bewerten, und darüber entscheiden ob Sie es Wert sind, an den NEWTs teilzunehmen. Gehen Sie jetzt."

"D-Danke, Sir," stotterte Neville. "Ich -"

Snape winkte ihn lediglich ab. Neville nickte ruckartig, machte kehrt und flüchtete aus dem Zimmer, aber nicht bevor Snape die Mischung aus Erleichterung, Erstaunen und absoluten Terror auf seinem runden Gesicht sehen konnte.

Snape verharrte noch eine ganze Weile, mit Blick zur Kerkertür. Schließlich drehte er sich zu seinem Pult um, zog seinen Zauberstab aus seinem Umhang, murmelte einen Spruch und sah zu, wie sich noch ein paar zusätzliche Fragen auf den Tests der Zweitklässler formten.

Das volle Ausmaß seiner Entscheidung wollte erst allmählich in sein Bewusstsein sinken.

Bei Merlins Barte. Er würde tatsächlich Neville Longbottom noch einmal unterrichten. Freiwillig. Na, wenn das mal keine Neuigkeit war. 'Tee, Albus?'

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Zwei Tage später stand Snape vor seinen Sechstklässlern.

"Wenn Sie glauben, Sie wären hier weil Sie Außergewöhnliches in Ihren OWLs vollbracht haben, muss ich Sie alle - ja auch Sie Ms. Granger - enttäuschen. Wie sie sehen -," und hier deutete er auf Potter und Longbottom, die beide rot anliefen, "- wurden in diesem Jahr die Zugangsbeschränkungen etwas lockerer gehandhabt als sonst. Ich kann Ihnen aber versichern, dass sich an meinen Anforderungen an Sie nichts geändert hat. Leistungsabfälle werden nicht toleriert, und enden mit einem Verweis von meinem Kurs. Legen Sie ihre Federkiele zur Seite, wir beginnen mit dem Aperio-Trank..."

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