Unglaublich, aber wahr... Malfoy Island ist beendet und ich kann an meinen alten "Baustellen" weiterschreiben. Ich möchte so nach und nach alle offenen Stellen schließen. Ich hoffe, daß ihr noch Interesse an diesen Geschichten habt, nachdem sie so lange brach gelegen haben, aber ich hab ja wenigstens eine gute Entschuldigung gehabt -g- Ich habe übrigens das Tratak, das in diesem Kapitel vorkommt, selbst schon das eine oder andere Mal praktiziert - das ist SEHR spannend... wenngleich ich natürlich noch nie zu SO einem Ergebnis gekommen bin... leider -gggg-
Liebe Grüße, Satia


Kapitel 10


Es ging sie nichts an...

Es ging sie verflucht noch einmal nichts an...

Und doch konnte sie nicht anders und behielt Snape den Rest des Abends auf eine Weise im Auge, die es ihr ermöglichte, mitzubekommen, wenn abends das mit Dumbledore vereinbarte Treffen stattfinden würde.

Es war ihr nicht nur unmöglich gewesen, sich auf Lehrstoff zu konzentrieren, sie hatte es auch nicht fertiggebracht, sich großartig mit Harry und Ron zu unterhalten, denen sie – einer Bauchentscheidung nach – nichts von ihrem Zwischenspiel in Professor Snapes Büro erzählt hatte – oder gar von dem, was sie danach mit ihm erlebt hatte.

OoOoO

Die Meditation mit der sie die Übungen beendet hatten, war in einen höchst seltsamen Zustand umgeschlagen. Hermine konnte beim besten Willen nicht mehr sagen, wer von ihnen beiden den Gedanken an das Tratak aufgebracht und wann sie sich damit einverstanden erklärt hatten, es auszuführen. Da er die Meditationsform kannte, mußte er auch, genau wie sie, gewußt haben, auf was er sich einließ. Er schien es häufiger praktiziert zu haben, während Hermine es nur aus Büchern kannte. Vielleicht hatte er wissen wollen, warum Hermines Gegenwart ihn so stark beeinflußte. Vielleicht hatte er sich davon tatsächlich Antworten erhofft?

OoOoO

Tratak...

Der Raum war abgedunkelt worden, bis die Kerze zwischen ihnen die einzige Lichtquelle gewesen war. Ein wenig unter Augenhöhe hatte die Flamme gefunkelt, die jeden Atemzug heller geworden zu sein schien, zwischen ihnen. Sie hatten etwas mehr als einen Meter auseinander sehr entspannt aber zugleich sehr gerade im Lotossitz gesessen und nichts getan, als sich über die Spitze der Kerzenflamme hinweg anzusehen.

Tratak...

Die Augen waren geöffnet geblieben. Keiner von beiden hatte geblinzelt.

Tratak...

Die Augen hatten zu brennen begonnen – wie es gedacht gewesen war. Hatten sich durch die starke Reizung mit Tränen gefüllt, die recht zügig begonnen hatten, über beider Wangen zu laufen. Die Augen waren weiter geöffnet geblieben, obwohl das Brennen unerträglich zu werden schien. Ein Prozess, der keine Gefühle hervorgebracht hatte, sondern eine absolut neutrale, anstrengende Reinigung des Geistes, und nicht zuletzt, der Augen gewesen war. Ein Prozess, in dem das hin und wieder leise zu vernehmende Rascheln der Kerzenflamme das einzige Geräusch in dem ansonsten völlig stillen Raum gewesen war.

oOo

Es heißt, daß das Tratak dem Meditierenden Gesichter früherer Inkarnationen der Person die vor ihm sitzt zeigt, denen er in vergangenen Leben bereits begegnet war. Je wichtiger der Mensch für ihn in einem anderen Leben war, desto intensiver das Bild. Je stärker die Emotion die es hervorruft, desto tiefer waren die Gefühle füreinander in den vergangenen Leben gewesen. Haß, Liebe, Verachtung, Zuneigung, Angst, Vertrauen... alles war denkbar. Doch selbst wenn er unter den manchmal dutzenden Gesichtern einzelne deutlich erkennen könnte, wüßte er dadurch trotzdem keine Namen – nicht die tatsächliche Beziehung zueinander – nur die Empfindung zu ihm oder ihr.

Die Gefahr beim Tratak ist, daß du vor Angst vergehst, oder mit einer tiefen Sehnsucht zurückbleibst.

Die Hoffnung ist Erkennen...

oOo

Tratak...

Das Gesicht des Gegenüber hatte zu verschwimmen begonnen, wie zu erwarten gewesen war, in der Mischung aus Licht und Schatten die die Kerze in der Dunkelheit verursacht hatte und den Schlieren die sich durch die gewollt über die unbewegten Gesichter laufenden Tränen gebildet hatten, die nichts mit Traurigkeit zu tun hatten, oder mit Schmerz, sondern einfach nur Teil der Meditation waren.

Und dann waren sie entstanden – die anderen Gesichter ... und die beiden Meditierenden hatten begonnen zu sehen...

OoOoO

Und nun stand Hermine im Dunkeln vor den Toren Hogwarts und wartete darauf, daß ihre Annahme bezüglich des Treffpunktes und der Zeit, die sie sich allein aus verschiedenen Indizien zusammengereimt hatte, korrekt war, während sie wieder und wieder an das Tratak zurückdachte.

Es waren diverse Gesichter aufgetaucht. Schemenhaft, mal grob wie Scherenschnitte, mal so weich, daß sie zu verschwommen gewesen waren um sie zu erkennen. Aber in den blitzenden Überblendungen zwischend den einzelnen Gesichtern, kehrte drei immer wieder und letztendlich war es ein einziges, das eindeutig die heftigsten Emotionen in ihr hervorrief. Sie wußte nicht, was Snape in ihrem Gesicht gesehen hatte, da sie danach nicht darüber gesprochen hatten, aber überrascht war er, von dem, was das Tratak ihm gezeigt hatte ebenfalls gewesen.

Hermine hatte eine ganze Weile gebraucht, bis sie die Emotionen dem sehr jungen Mann gegenüber, einordnen konnte, dessen Züge sich vor Hermines Augen über Snapes Gesicht gelegt hatten.

„Wohlwollen" war das erste Wort, das ihr passen erschienen war. Bald gesellten sich Worte wie „Stolz" und „Streben" hinzu. Stolz auf ihn und das Streben, den Stolz auf ihn zu vergrößern. Und die diversen Empfindungen passten plötzlich perfekt zueinander, als ihr der Begriff „Schüler" in den Sinn kam und dann wußte sie es...

Wenn das Tratak nicht nur ein Hirngespinst war, sondern tatsächlich zurückblicken ließ, dann waren Snape und sie schon einmal Schüler und Lehrer gewesen... aber mit vertauschten Rollen...

Hermine wollte es, seit sie die Meditation so ausgelegt hatte, mit allen Mitteln als Unfug abtun. Es damit erklären, daß man sich so ziemlich alles einreden konnte, wenn man es nur intensiv genug versuchte. Aber die Empfindungen waren so stark gewesen, daß es ihr sehr schwer fiel, sie nicht als echt anzusehen. Also tat ihr Verstand das Gegenteil von dem, was sie wollte und „schenkte" ihr die Erkenntnis, daß der Grund für ihre Gier nach mehr Wissen von Snape vielleicht der war, daß sie wußte, daß sie selbst dieses Wissen einmal in ihn hineingelegt hatte – daß sie mit all ihrem Lerneifer nur die tiefe Sehnsucht danach befriedigte, sich erneut anzueignen, was sie längst einmal besessen hatte. Vielleicht fühlte es sich deshalb so „richtig" an, all dieses Wissen in sich aufzunehmen, als sei es Nahrung für sie.

Allerdings mußte sie gestehen, daß eine sehr konkrete Emotion, die dieses andere Gesicht in ihr ausgelöst hatte, ganz und gar nicht zu der Verbindung Schüler und Lehrende gepaßt hatte... speziell diese sorgten dafür, daß sie eher geneigt war, das komplette Tratak als Hirngespinst abzutun, als es für echt zu halten.

OoOoO

Eine Nebentür des Schlosses öffnete sich. Hermine duckte sich tiefer in den Schatten der Mauer hinein an der sie stand und sah zu, wie Snape die Türe wieder sorgfältig verschloß und sich dann im Mondlicht quer über die Wiese auf den Weg machte, in Richtung der Peitschenden Weide.

In großem Abstand folgte sie ihm und bemerkte, kurz bevor sie die Weide erreichten, daß dort Lichter brannten.

Es war kein Problem für Hermine, sich so im Dunkeln zu halten, daß sie sicher sein konnte, nicht gesehen zu werden. Zumal Snape sich kein einziges Mal umwandte, sondern geradewegs auf die Weide zuging.

Dumbledore stand neben einigen magischen Fackeln, die in sicherer Entfernung zur Weide die Wiese erhellten.

Seine Hand lag auf der Schulter eines kleinen, recht zierlichen Jungen mit dunkelblonden Haaren, der vielleicht vier oder fünf Jahre alt sein mochte und der für sein Alter deutlich zu ernst aussah. Aber vielleicht war der Kleine auch einfach nur müde. Schließlich war es mitten in der Nacht und er sollte sicherlich normalerweise um diese Zeit längst schlafen.

Er lief seinem Vater nicht entgegen, sondern wartete, bis dieser bei ihm angelangt war.

Dumbledore trat ein Stück zur Seite und Snape ging vor dem Jungen in die Hocke. Sprach mit ihm. Der Kleine sah ihn dabei so konzentriert an, daß Hermine auch auf die Entfernung erkennen konnte, daß der Junge mehr verstand, als für sein Alter normal gewesen wäre. Er nickte einige Male und dann legte er seine kleinen Arme ganz ruhig, aber fest um seinen Vater, der ihn ebenso fest an sich zog und hielt.

Dumbledore ließ die beiden nicht aus den Augen und da beide Männer nur auf das achteten, was gerade unmittelbar vor ihnen geschah, war es nicht verwunderlich, daß Hermine als erste bemerkte, was in ihrem weiteren Umfeld geschah.

Erst war es nur eine Art Knistern.

Dann kam dieses Rascheln hinzu, das Hermine die Nackenhaare aufstellte.

Ihr Blick suchte nach der Quelle dieses Geräusches. Und in dem Moment, in dem sie wußte, was es war, erkannte sie auch, daß sie von etlichen Stellen aus gleichzeitig kamen.

„DRYDER!", schrie sie den Männern zu, die sich bei ihrem Schrei fürchterlich erschraken, aber auf der Stelle in Verteidiungsposition gingen. Der Junge stand zwischen ihnen und sah sich ängstlich um.

Die Spinnenwesen, von der Höhe eines Zentauren, durch die Beine jedoch fast dreimal so breit wie diese, kamen aus ihren Deckungen heraus und gingen, relativ siegesgewiss auf ihre Opfer zu.

Hermine hatte bislang nur einige schlechte Abbildungen von ihnen gesehen. Sie waren von einer bizarren Schönheit. Die Spinnenleiber trugen den Oberkörper von Elfen mit tiefschwarzer Haut. Ihre schneeweißen Haare waren zu kunstvollen Flechtgebilden gebunden. Ihre glühend erscheinenden, roten Augen untermalten nur die Unheimlichkeit ihrer Erscheinung. Sie trugen keine Zauberstäbe. Die benötigten sie als magische Wesen nicht. Die Magie, die sie benutzen konnten, kam aus ihrem Inneren und war tödlich – sofern sie mit genug Macht gespochen war. Aber selbst magieunbegabtere Dryder stellten eine tödliche Gefahr dar, denn ihre Bisse oder die Schnitte von ihren Klauen an den acht Spinnenbeinen waren hochgiftig. Und das wußte nicht nur Snape, sondern auch der Schulleiter, der sich zwar erhobenen Hauptes, aber trotzdem langsam und mit Vorsicht bewegte. Unter den etwa ein Dutzend Drydern stach einer durch sein Aussehen hervor. Sein Körper war bemalt mit arkanen Zeichen,die Hermine nicht kannte. Offenbar war er einer der Magier unter ihnen, von denen Snape in der Kapelle gesprochen hatte. Sie alle beherrschten Magie – aber die unter ihnen, die auch den Titel „Magier" trugen, waren die stärksten.

Eben dieser ging nun ruhigen, siegesgewissen Schrittes auf die beiden Männer zu.

Snape und Dumbledore hielten ihre Zauberstäbe ausgestreckt und während Dumbledore sich dem Magier zugewandt hielt, drehte sich Snape langsam um sich selbst, um die anderen im Auge zu behalten, die näher gekommen waren, aber in sicherer Entfernung stehen blieben.

„Wirr wollen nurr dicchh Weisssbarrt", schnarrte der Anführer der Dryder mit einer Stimme, die irgendwie knisterte.

Hermine sah sich um und stellte erleichtert fest, daß, trotz ihres Schreis, keiner der Dryder ihr Aufmerksamkeit schenkte, obwohl sie ihre Anwesenheit verraten hatte. Fieberhaft überlegte sie gleichzeitig, wie sie helfen konnte.

In diesem Moment sah Snape sie.

Seine Gedanken schienen zu rasen. Er sah sie an, sah Nathaniel an, sah zu Dumbledore rüber und wieder zu Nathaniel. Natürlich behielt er die Dryder um sich herum im Auge, aber er schien gleichzeitig alle Möglichkeiten in seinem Kopf durchzuspielen.

„Was wollt ihr denn mit mir?", fragte Dumbledore in seiner souveränen Art, ohne seinen Zauberstab zu senken.

„Du sstehsst imm Weg. Wirr wollenn dass gezzeicchnette Mensschhenkinnd und du sstehsst imm Weg."

„Ich fürchte, ich kann dabei nicht helfen.", erklärte Dumbledore, als erläutere er einem nach dem Weg fragenden, daß er diesen nicht kenne. „Der Junge wird bei uns bleiben und keinesfalls ein Opfer eurer Gottheit werden. Darf ich fragen, ob es deine Idee ist, ihn zu opfern? Oder gibt es andere von euch, die dies ebenfalls tun wollen?"

Geschickt... der Schulleiter versuchte Informationen aus den Drydern herauszuholen und schien damit offenbar Erfolg zu haben, denn der Magier streckte die Brust stolz hervor.

„Meeiine Iddee wird mirr dass Wohllwollenn derr Göttinn bringgen. Niiemannd sonnst weiss ess jetzzt. Abberr ssie werrdenn ess alle wiissenn. Wirr werdden dichh nunn töttenn odder mittnehmmen undd ebbenfallss oppfern – eine grosse Ehrre – du darrfsst wähllenn.", erklärte der Dryder großzügig.

„Ich denke nicht, daß ich mitkommen kann und ich gedenke auch nicht zu sterben."

Dumbledore vertraute darauf, daß Snape ihm den Rücken freihielt, während er nach vorne auf den Magier konzentriert war.

Doch während Dumbledore Snape nicht sehen konnte, war dies Hermine sehrwohl möglich und ganz allmählich erkannte sie, daß in dem Zaubertrankprofessor mehr Gedanken vor sich gingen, als nur die daran, wie alle aus dieser Situation herauskommen konnten. Ein Kampf gegen die Wesen war praktisch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie waren zu viele, als daß sie eine Chance gehabt hätten.

Und plötzlich wurde Hermine bewußt, daß Snape dem Schulleiter durch seinen Eid nichts antun konnte, daß es ihm aber ganz sicher durchaus möglich war, dabei zuzusehen, wie jemand anders es tat. Wenn Albus tot war, wäre der Fluch, den er auf Snape gelegt hatte fort... er könnte gehen... er könnte den Jungen mitnehmen... die Dryder schienen weder an ihm noch an dem Kind interessiert zu sein. Sie wollten nur Dumbledore aus dem Weg haben um an Harry heranzukommen...

Und dann bestätigte Hermines Befürchtung sich auf die schlimmste Weise.

Ein Dryder hinter Albus machte, während Snape ihm ohne jede Regung zusah, eine Bewegung, die einen Zauberspruch in die Richtung des Schulleiters schleuderte, diesen völlig unvorbereitet überraschte und zu Boden warf. Er schien betäubt zu sein und die Dryder gaben ein hocherfreutes, klackerndes Geräusch von sich.

Hermine wollte aufschreien, aber sie wagte es nicht, die Aufmerksamkeit der Dryder auf sich zu lenken. Also blieb sie bewegungslos in ihrer Deckung stehen und sah schluckend und mit schreckensgeweiteten Augen, wie Snape mit einer langsamen Bewegung seinen Sohn auf den Arm nahm, der mit kindlicher Angst in den Augen die Wesen um sich herum betrachtete und dann ruhigen Schrittes in Richtung des Schlosses ging, so daß er unweigerlich an Hermine vorbeikommen mußte.

„Einne weissee Enttsscheiddungg, Mennssch.", zischte der Magier Snape hinterher. Man ließ ihn offenbar tatsächlich vollkommen unbehelligt gehen.

Hermine hätte Snape am liebsten angeschrien, aber stumm beobachtete sie nur, wie er sich Schritt für Schritt von Albus entfernte und ihn bewußtlos seinem Schicksal überließ, während der Junge auf seinem Arm nach hinten sah und beobachtete, wie die Dryder die letzten Schritte auf Albus zugingen.

Als er nur noch wenige Meter von Hermine entfernt war, blieb er plötzlich stehen. Und zischte ein deutlich hörbares „VERDAMMT", als sei er wütend darüber, daß er stehengeblieben war.

Er atmete heftig, als ringe er mit sich selbst und schloß plötzlich die Augen krampfhaft, als wolle er sich gegen das wehren, das in ihm vorging. Aber als er die Augen wieder öffente, konnte Hermine sehen, daß das, wogegen er sich gewehrt hatte, gesiegt hatte.

Er preßte das Kind in seinm Arm noch einmal fest an sich, dann suchte er in den Bäumen nach Hermine, fand sie, rannte die letzten Meter zu ihr. Drückte ihr den Jungen in die Hand.

„Bring ihn zum Schloß, Maya – schick Hilfe – komm nicht zurück, bleib bei ihm!", waren seinen einzigen Worte, bevor er für nur eine einzige Sekunde ihr Gesicht fasste, ihr vollkommen unerwarteterweise einen Kuß gab, sie auf der Stelle wieder los ließ, sich umwandte und mit riesigen Schritten auf die Dryder losging – den Zauberstab in eindeutiger Kampfabsicht nach vorne gestreckt.

Während Hermine restlos verwirrt und in panischer Angst mit dem Kind im Arm den Hügel so schnell hochrannte wie es möglich war, hörte sie Snape im Hintergrund einen Kampfzauber nach dem anderen schreien, während die Dryder gleichzeitig klackend und kreischend losschlugen.

Noch bevor sie außer Hörweite war, hörte sie auch Albus Stimme plötzlich wieder, der ebenso wie Snape in die Kampfhandlung eingriff und dann hörte sie Snapes Schrei... einen Schmerzensschrei, wie jemand ihn von sich gab, der von etwas wirklich Üblem getroffen worden war...

Im Schloß fand sie trotz der späten Stunde mehrere Lehrer im Lehrerzimmer, das auch gleichzeitig eine Art Gemeinsachaftsraum für die Lehrer war und nachdem sie diese, wie ihr befohlen worden war, Snape und dem Schulleiter zu Hilfe geschickt hatte, setzte sie sich hin, ohne dabei Nathaniel loszulassen, so daß dieser auf ihrem Schoß zu sitzen kam. Sie weinte nur deshalb nicht, weil sie zu sehr damit beschäftigt war, den Jungen wieder zu beruhigen, der sich an sie klammerte, als hinge sein Leben davon ab.

‚Maya'... er hatte sie Maya genannt... und sie wußte, daß das richtig war... das war ihr Name... gewesen...? Konnte das sein? Konnte es sein, daß das Tratak Snape mehr verraten hatte, als es dies eigentlich hätte tun können? Aber warum wußte SIE dann, daß der Name richtig war? Warum hatte der Kuß sie überrascht – nicht aber schockiert? Warum hatte es sich richtig angefühlt? Warum hatte sie jetzt mehr Angst um ihn, als erklärbar war? Warum machte sie sich zwar duchaus Sorgen um Dumbledore – fand aber gleichzeitig den Gedanken vollkommen unerträglich, daß Severus... daß Adrian?... etwas geschehen konne. Wo um Himmels Willen war dieser Name nun aufgetaucht?!

Hermine wäre am liebsten aufgesprungen und im Raum umhergewandert, platzte beinahe vor Verlangen, in irgendwelchen Büchern nachzuschlagen, ob möglich war, was hier geschah! Aber der kleinen, noch immer leicht zitternde Junge in ihrem Arm verhinderte dies. Nathaniel wurde jetzt allerdings schnell so schläfrig, daß es nur noch eine Sache von Minuten sein konnte, bis er eingeschlafen war.

Und so saß Hermine alleine im Lehrerzimmer der Professoren von Hogwarts, hielt einen kleinen Jungen im Arm, den sie heute das erste Mal gesehen hatte und konnte nur, ohne jede faktische Belegung, darüber spekulieren, ob es möglich war, daß man sich so konkret an ein früheres Leben erinnern konnte, oder ob das alles Hirngespinste waren und ob Professor Severus Snape wohl noch lebte, oder längst tot war...

OoOoO

Es dauerte fast eine Stunde, Nathaniel schlief längst tief und fest, bis die Tür des Lehrerzimmers endlich wieder aufging.

Albus Dumbledore kam herein. Er sah geschafft, aber durchaus zufrieden aus und ließ sich in den Sessel fallen, der Hermine gegenüber stand.

„Sie sind besiegt.", erklärte er als erstes.

„Und Professor Snape?", fragte Hermine, noch bevor er ganz zuende gesprochen hatte.

Der Schulleiter schmunzelte.

„Daß es ihm gut geht wäre zwar übertrieben, aber er wird bald wieder in Ordnung sein. Er hat einige Flüche abbekommen, aber nichts, was ihn dauerhaft schädigen könnte. Die Gefahr für Harry ist damit endgültig besiegt – zumindest was die Dryder betrifft.", berichtete er.

„Wo ist der Professor?", fragte Hermine und war sich im selben Moment plötzlich bewußt, daß es durchaus höflich gewesen wäre, zu fragen, wie es dem Schulleiter ging, oder Freude darüber zu zeigen, daß Harry durch die Dryder keine Gefahr mehr drohte. Aber es entsprach der Wahrheit, daß es einzig und allein Professor Snape war, dessen Verbleib und Zustand sie in diesem Moment interessierte.

„Er ist in der Krankenstation und wenn Sie möchten, können Sie ihn gerne eben besuchen. Er wird dort nur versorgt. Er muß nicht dort bleiben. Allerdings wird er wohl ein paar Tage nicht unterrichten können."

Er lächelte sie an.

„Soll ich Nathaniel so lange nehmen?", bot er an.

Hermine sah auf den Jungen herunter. „Ich weiß nicht... soll ich ihn nicht lieber mitnehmen?"

Albus schien die Für und Wider abzuwägen, schüttelte dann aber den Kopf.

„Nein. Ich denke ich bringen ihn lieber erst einmal wieder in seine Familie zurück."

Hermine war nicht glücklich über diese Entscheidung, nickte aber.

„Professor Dumbledore...", begann Hermine zögernd. „Professor Snape hat vorhin..."

Der Schulleiter unterbrach sie, in dem er abwehrend eine Hand hob.

„Miss Granger... entscheidend ist ausschließlich, wie er sich entschieden hat. Auch wenn es sicher nicht nett war, war es doch gleichzeitig mehr als verständlich, daß die Situation für ihn eine unglaubliche Versuchung war. Doch als ihn bereits niemand mehr daran hätte hindern können, einfach zu gehen, hat er sich anders entschieden und ist geblieben. Das alleine zählt für mich. Severus Snape ist kein Heiliger, Miss Granger. Und er wird nie einer sein. Aber er ist ein guter Mensch, besser als viele andere. Aber ich glaube, daß Sie das sehr genau wissen, nicht wahr? Ich meinte jedenfalls etwas bemerkt zu haben, als ich Ihre Aura entwirrte, daß dies bestätigen würde."

„Ich kenne ihn doch kaum...", flüsterte Hermine – genau wissend, was Albus meinte.

„Wenn das stimmen würde, währen viele Facetten Ihrer Aura, die sich in seiner Gegenwart verändert hat, nicht erklärbar, Miss Granger. Ich weiß nicht warum, aber Sie kennen ihn besser als möglich sein dürfte und dafür gibt es nur wenige Erkärungsmöglichkeiten. Vor allem kennen Sie Aspekte seiner selbst, die bisher außer mir wohl kaum jemand kannte."

„Ich möchte nicht darüber reden.", sagte sie schüchtern und bestimmt zugleich.

„Das ist auch nicht notwendig.", sagte Dumbledore sanft, erhob sich und nahm ihr Nathaniel aus den Armen.

„Und jetzt gehen sie. Irgendewas sagt mir, daß er schon wartet."

OoOoO

Snape saß auf der Kante eines Bettes, das offensichtlich nicht seines werden sollte, sondern lediglich als Sitzgelegenheit diente, während Madame Pomfrey ihm das rechte Handgelenk mit eine magischen Paste einrieb und dann verband.

Er sah hoch zu ihr, sagte aber keinen Ton, bis Madame Pomfrey aus dem Raum war.

„Nathaniel?", fragte er in einem Wort.

„Schläft tief und fest und Albus bringt ihn nun zurück."

Snape nickte langsam.

„Gut...", sagte er dann ebenso langsam und schien nicht zu wissen, ob er Hermine ansehen sollte, oder nicht.

Aber als sie näher an ihn heran kam, hob er den Blick doch.

„Ich möchte mich entschuldigen.", sagte er ruhig.

„Das ist nicht notwendig.", erklärte Hermine sofort, doch er schüttelte den Kopf.

„Doch, ist es, und das nun schon zum dritten Mal. Ich habe mich vor dem Schloß in mehrerlei Hinsicht unmöglich benommen."

„Sie haben eine schwere Entscheidung getroffen und sich dafür entschieden, ihre Loyalität und alles Gute in Ihnen siegen zu lassen. Was daran ist unmöglich?"

Er sah sie regelrecht misstrauisch an.

„Auch wenn dieser Teil der gravierendere der Szene gewesen sein mag, wissen Sie genau, wovon ich noch spreche. Ich habe Sie geküßt. Das war unangebracht, vollkommen unnötig und einfach... nun ja... unangebracht!"

Hermine mußte darüber schmunzeln, daß ihm für diese „Ungeheuerlichkeit" keine Worte einfielen.

„Hermine Granger gegenüber wäre es vielleicht unangebracht gewesen. Aber auch Maya gegenüber?", fragte sie leise.

Er blieb stumm. Sah sie an, als suche er etwas in ihrem Gesicht.

Sie stellte sich dicht vor ihn und sah auf ihn herab.

„Ich weiß nicht genau, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen soll und es ist wohl auch vom Leben nicht gedacht, daß es einem so bewußt wird, aber vielleicht sollten Zauberer und Hexen kein Tratak betreiben. Nicht wahr, Adrian?"

Seine Augen wurden groß, während er wortlos zu ihr hochsah.

Hermine wußte nicht, wo die Worte herkamen, die plötzlich aus ihrem Inneren nach außen strömten, aber sie ließ es einfach geschehen. Und sie wußte, daß jedes einzelne davon wahr war.

„Wir haben uns geschworen, daß wir uns in allen Zeiten finden würden, wenn einer von uns in Not ist. Als ich in den Felsspalt gefallen bin, hast du mich mit „du" angesprochen. Ich war in Not und du warst da. Und es ist nun schon viel zu lange so, daß du Hilfe brauchst. Wenn wir genauer hingesehen hätten, hätte dies alles schon viel eher klar werden können, aber es sollte wohl so lange dauern, wie es gedauert hat. Aber jetzt bin ich da. Ich habe mein erlerntes Wissen nicht in dieses Leben hinüberretten können, obwohl mit diesem anderen Leben wohl mein intuitives Verständnis für viele wissenchaftliche Dinge erklärt wäre, aber ich weiß, wer du bist und du weißt, wer ich bin. Das ist mehr, als die meisten Menschen voneinander sagen können."

Sie streichelte, während sie dies sagte, sanft mit der Hand an seinen Schläfen entlang bis über seine Wange und er ließ es zu.

„Dir gegenüber,", sprach nun auch er „konnte ich mich damals immer schon mehr öffnen, als jedem anderen gegenüber. Es hat mich völlig aus dem Konzept gebracht, daß ich dir in der Kapelle so viel von mir und von Rebecca, erzählt habe – aber nun ist es verständlich... Was tun wir jetzt mit dieser Erkenntnis? Weiß du nun alles wieder? Oder sprichst du gerade, ähnlich wie ich, einfach diesem Gefühl folgend?"

Hermine lächelte etwas verzweifelt.

„Es ist so, als stünde jemand hinter mir und spreche vor, was ich dann nachspreche. Aber ich denke, daß wir beide nun gezielt nach dem suchen können, war gewesen ist."

Er nickte, senkte kurz den Blick und nahm ihre Hände in seine.

„Ich habe Sorge, daß nun das, was bei den Treffen mit Rebecca oder Nathaniel geschehen ist, auch geschehen könnte, wenn ich in deiner Nähe bin."

Hermine hob seine Hände hoch zu ihren Lippen, gab einen sanften Kuß darauf, bevor sie sie wieder sinken ließ.

„Anfangs wird das wohl auch so sein. Dann müssen wir halt zur Meditation greifen, um es im Zaume zu halten. Wir beide haben zusammen schon ganz andere Dinge fertiggebracht, als nur die emotional verändernde Wirkung eines schwarzmagischen Males zu eliminieren. Wir werden alles daransetzen, diesen Wahnsinn des Males zu beenden, ohne es damit für deine Arbeit für den Orden unbrauchbar zu machen. Du weißt das wir das können."

Ein Leuchten, ein Erinnern, tauchte in seinen Augen auf.

„...und daß sie uns wegen solcher und ähnlicher Dinge getrennt haben..."

Hermine schmunzelte und nickte.

„Aber sie können uns nicht aufhalten... So lange wie wir noch nicht alle Rätsel gelöst haben, bleiben wir im Verborgenen, Severus. Niemand muß wissen, daß wir uns wiedererkannt haben, daß wir wissen, wer wir waren. Die alten Namen sind ohnehin Schall und Rauch. Sie waren nur Mittel zum Zweck, damit wir sicher sein konnten. Du bist Severus. Ich bin Hermine. Und im Moment ist die Dunkelheit in der wir verborgen sind, noch ein Segen für uns. Aber sobald wir alle Erkenntnisse zurückerlangt haben, werden wir hinaustreten ins Licht. Und dann gehört unser Leben wieder uns..."

Er nickte mit einem verwirrten Lächeln.

„Ich weiß, daß das alles wahr ist, und trotzdem habe ich das Gefühl, daß ich keinen blassen Schimmer von dem habe, was du da redest."

Hermine lachte.

„Es geht mir genauso! Da ist wohl eine Menge Recherche notwendig. Aber ich bin trotzdem unendlich froh, daß jetzt so viel Seltsames und Kurioses zwischen uns wenigstens ansatzweise, wenn auch nur mit neuen Rätseln, erklärt ist."

Er nickte erneut und zog sie dann an sich, legte sein Gesicht mit der Wange gegen ihren Bauch und atmete erleichtet aus.

„Ich habe dich vermißt.", flüsterte er.

Sie strich ihm sanft über das schwarze Haar. „Ich bin wieder da..."

ENDE