Through the Dark Clouds shining

Wie versprochen und ganz sicher wider besseres Wissen ist hier meine neue Geschichte. Die Muse wollte mich irgendwie einfach nicht in Ruhe lassen. Wie üblich veröffentliche ich die Geschichte in dem Tempo, in dem ich sie schreibe und da ich leider ungefähr fünf weitere Bälle in der Luft habe, weiß ich nicht, mit welcher Regelmäßigkeit ich zum Schreiben komme. Ich verspreche aber, mein Bestes zu tun.

Damit diese Geschichte funktionieren kann wie sie es soll, musste ich alle Figuren vier Jahre älter machen. Rilla ist demnach nicht im Juli 1899, sondern im Juli 1895 geboren und alle anderen analog dazu ebenfalls vier Jahre früher. Alles, was zwischen Anne of Green Gables und Rainbow Valley geschehen ist, setzt diese Geschichte als genau so geschehen voraus (allerdings eben alles vier Jahre vor der eigentlichen Zeit), während die Geschehnisse aus Rilla of Ingleside erneut keine Anwendung finden.
Das erste Kapitel dieser Geschichte setzt im August 1916 ein, die Erzählung erfolgt danach chronologisch. Nur der Prolog findet zu einem (noch) ungenannten späteren Zeitpunkt statt.

Disclaimer:
In meinem Profil.

Summary:
Ich bin nicht Krankenschwester geworden, weil ich Menschen helfen möchte. Es ist einfach das einzige, was ich wirklich gut kann. Oder nein – es ist das einzige, was ich besser kann als meine Schwestern. Das war es also, was mich auf diesen Weg gebracht hat. Und der Weg hat mich geradewegs hierhin geführt."


Prolog – The Last Post

Still sehe ich zu, wie der Sarg im sandigen Boden versinkt.

Der Himmel hängt grau und tief. Stetig prasselt der Regen auf uns hinab und ich hasse den Gedanken, dass er hier draußen liegen muss, dem Regen und der Kälte und dem Schnee ausgesetzt, ohne einen Schutz.

Wenigstens ist er nicht alleine.

Irgendwo hinter mir dröhnt der Donner der Geschütze, wie er es das seit Jahren tut. Es klingt weit entfernt und ist es doch nicht. Es ist mir näher als jemals zuvor.

Eine Hand schiebt sich in meine. Sie fühlt sich kalt an, klamm. Es ist der Versuch des Trostes, aber was kann trösten, nach dem, was ich verloren habe? Was wir alle verloren haben?

Mit einem letzten, grausamen, dumpfen Geräusch kommt der Sarg zum Stillstand. Dann erhebt sich das einsame Horn sich über die Stille. The Last Post. Hat irgendjemand gezählt, wie viele Male diese alten Klänge in den vergangenen Jahren über das Land geschwebt sind? Dieses letzte aller Wehklagen, für die Zeiten, in denen wir keine Worte mehr haben?

Während das Horn den letzten Abschiedsgruß des Soldaten spielt, geht mein Blick in die Ferne. Man kann den Fluss von hier sehen und, etwas im Norden, das Meer. Und irgendwo dahinter, tausende über tausende von Meilen entfernt, liegt unser Zuhause über der See.

Ich frage mich, ob er geahnt hat, dass er es niemals mehr wiedersehen würde.

So viele Männer habe ich sterben sehen. Mehr, als ich mich wage zu erinnern. Ich dachte, dass würde es irgendwie einfacher machen. Weil ein Tod irgendwann beginnt, dem anderen zu gleichen. Aber das hat es nicht, konnte es vielleicht nie. Denn dieser Tod ist anders als die anderen, natürlich ist er das.

Die Soldaten beginnen damit, das Grab zuzuschaufeln und ich spüre plötzlich das Verlangen, sie davon abhalten zu müssen. Eine alte Kinderangst kommt in mir hoch – lebendig begraben werden. Aber das ist Unsinn. Ich weiß, dass er tot ist. Ich war bei ihm, als er starb.

Ich bin hierhin gekommen, um ihn zu beschützen, um sie alle zu beschützen. Auch das, vermutlich, naiv. Am Ende konnte ich nur noch seine Hand halten, während er den letzten Weg alleine gegangen ist. Vielleicht hat es ihm geholfen. Vielleicht hat er es nicht einmal mehr gemerkt. Wer weiß das schon?

In der Ferne ertönt ein Pfeifen und ein Zug schiebt sich dampfend in mein Blickfeld. Ein untrügliches Zeichen, dass es weitergeht. Es ist nicht vorbei, auch wenn es sich so anfühlen mag. Er ist nicht der erste Tote dieses Krieges, bei weitem nicht, und der letzte wird er auch nicht sein.

Der Zug rollt davon und gibt den Blick auf den Fluss wieder frei. Davor, in der Senken zu meinen Füßen, reihen sie sich aneinander. Holzkreuze, eins neben dem anderen. Hunderte, tausende und doch nur ein kleiner Teil. Der Gedanke, wie viele Holzkreuze den Boden dieses Landes, den Boden dieser Welt bedecken, ist beinahe unerträglich. Ein Toter für jedes Kreuz und unzählige, die niemals ein Kreuz haben werden. Nicht einmal das.

Ich weiß nicht mehr, wofür sie gekämpft haben und wofür sie gestorben sind. Vielleicht habe ich es nie gewusst. Aber eins weiß ich doch: Was immer das Ziel war und wie immer das Ende aussehen wird – der Preis war zu hoch.


Der Titel dieser Geschichte ist dem Lied „Keep the Home Fires Burning" aus dem Jahr 1914 entnommen (Text von Lena Guilbert Ford, Musik von Ivor Novello).

‚The Last Post' ist ein Hornsignal, das traditionell auf Beerdigung von Soldaten des Commonwealth sowie bei Gedenkfeiern gespielt wird.