Bitte rette mich!
1.Die Falle
Konzentriert ging Harry noch ein letztes Mal den Plan durch, den er sich zurechtgelegt hatte, um noch heute die Tasse der Helga Hufflepuff in seinen Besitz zu bringen und diese zu vernichten. Es hatte ihn sehr viel Geschick, Geld und Mühe gekostet ihren Standort ausfindig zu machen, doch nach einem geschlagenen Monat, in dem Harry beinahe rasend vor Ungeduld geworden war, hatten seine Anstrengungen endlich Früchte getragen.
Die Tasse, die einen weiteren Horkrux seines Erzfeindes Lord Voldemort darstellte, befand sich aller wahrscheinlichkeit nach in einem alten Herrenhaus in einem Dorf an der Ostküste von Schottland. Das Haus war in mehrere schwarzmagische Vorkommnisse in der Vergangenheit verwickelt gewesen, doch genaueres hatte Harry nicht herausfinden können, außer dass Voldemort es vor seinem Versuch, Harry als Baby zu ermorden, als einen Ort für Versammlungen mit seinen Todessern genutzt hatte. Warum er genau diesen Ort als Versteck gewählt hatte, konnte Harry nicht nachvollziehen.
Doch eigentlich war ihm eine Antwort auf diese Frage auch ziemlich egal. Alles was er wollte war die Tasse, nichts sonst. Es musste ihm gelingen alle sieben Horkruxe zu zerstören und wenn er dabei über Leichen gehen musste. Der Tod Dumbledores hatte ihn schwerer getroffen als er gedacht hatte und um den Schmerz nicht fühlen zu müssen, versteifte er sich auf den Kampf gegen Voldemort.
Heute Nacht würde er nach Schottland apparieren, in das Haus eindringen und die Tasse an sich reißen. Harry hatte starke Abwehrzauber und Aufspürzauber für magische Fallen gelernt um sich vor den Tücken des Hauses zu schützten. Mit diesen gerüstet, hoffte er, würde sein waghalsiges Vorhaben gelingen.
Er lächelte und schulterte den kleinen Rucksack in dem er seinen Tarnumhang, eine Athame und ein paar Heiltränke verstaut hatte. So...los gings. Harrys Herz schlug bis u seinem Hals. Es würde alles gut gehen. Es musste einfach. Dumbledore sollte keinen sinnlosen Tod gestorben sein. Mit einem leisen "Plopp" verschwand Harry aus dem kleinen Hotelzimmer in der Winkelgasse, in das er sich einquartiert hatte.
Kälte und Meeresrauschen schlugen ihm entgegen. Etwas unsicher öffnete er die Augen um sich umzublicken. Die Übelkeit, die ihn nach dem Apparieren immer überfiel, lies allmählich nach. Es war dunkel. Am schwarzen Himmel zeichneten sich die Sterne ab, doch ihr Glanz war nichts gegen den hell leuchtenden Vollmond ab. Ob diese Nacht wohl vielleicht doch seine letzte sein würde? Vehement schüttelte Harry den Kopf. Nein. Er durfte sich jetzt nicht in Pessimissmus verrennen, oder er würde den Blick fürs wesentliche verlieren...
Sein Blick schweifte weiter über das Feld auf dem er gerade stand hinzu der dunklen Silluette, die sich noch schwärzer als der Himmel gegen selbigen abzeichnete. Das musste es sein... Harry erschauderte kurz und schob es auf die Kälte. Doch was ihm wirklich schaudern lies war die schaurige Atmosphäre, die wie eisiger Nebel vom Haus aus zu ihm herüber kroch. Eine einsame Krähe flog vom Haus aus zu ihm herüber und setzte sich auf eine knorrige Eiche, die ungefähr fünfzig Meter von ihm entfernt stand. Der schwarzhaarige musterte sie kurz, wandte dann aber seine Aufmerksamkeit wieder dem Haus zu.
Sollte er direkt durch die Vordertür einsteigen? Oder durch eines der Fenster? Er erwartete nicht, dass sich noch jemand im Haus befand, also entschied er sich kurzerhand für die Vordertür. Zügig um nicht von Zweifeln befallen zu werden schritt er auf das eindrucksvolle Herrenhaus im viktorianischen Stil zu.
Knarzende Geräusche drangen an sein Ohr, deren Ursprung er nicht genau ausmachen konnte. Ein Baum? Vielleicht einer der Fensterläden des grau getünchten Gebäudes? Oder doch etwas weitaus gefährlicheres? Bei dem Gedanken schüttelte Harry den Kopf. Wer oder was sollte ihn hier schon erwarten? Das Haus stand leer, seit über zehn Jahren, also wovor fürchtete er sich?
Trotz den Worten die er wie heilsame Psalme immer wieder in seinem Kopf wiederholte blieb ein ungutes Gefühl, das mit jedem Schritt den er weiter auf das Gebäude zutat stärker wurde.
Er trat durch das Gußeisene Tor, das den Garten des Hauses von dem Rest der Welt abtrennte, und stockte plötzlich mitten in der Bewegung. War da nicht etwas gewesen? Ein Knacken? Sein Kopf ruckte hecktisch herum, suchte nach einer Erklärung für das Geräusch. Oder hatte er es sich nur eingebildet?
"Harry...reiß dich doch zusammen...", murmelte er leise zu sich selbst. Seine Stimme erschreckte ihn beinahe. Sie klang rau und zitternd, ein krasser Gegensatz zu ihrem sonst so selbstsicheren Klang. Wenn Snape ihn jetzt so sehen könnte, er würde sich freuen...Ein bitteres Lachen drang über seine blassen Lippen. Snape...dieser Bastard... wenn er ihm je wieder begegnen würde, er würde ihn töten, ohne mit der Wimper zu zucken.
Die Rachegedanken, die seinen Geist endlich wieder auf ein klares Ziel richteten, halfen ihm seine Nagst zumindest ein Stück zurückzudrängen. Neuen Mutes schritt er weiter, den Zauberstab fest mit seiner Hand umklammernd. Wo vorher noch der Mond seinen Weg beschienen hatte, herrschte nun Dunkelheit, denn die knorrigen Bäume nahmen ihm das Licht. "Lumos!", flüsterte Harry, um wieder etwas mehr von seinem Weg sehen zu können.
Dunkler Kies knirschte unter seinen Schuhen. Bald, bald hätte er es geschafft. Nur schnell in das Haus, dann die Tasse herausholen und ab zurück in die Winkelgasse... Wenn es doch nur so einfach wäre.
Harry blickte konzentriert nach unten, teils um nicht über die Wurzeln zu stolpern, die sich durch den Kies an die Oberfläche gearbeitet hatten, teils um das düstere Haus nicht lange ansehen zu müssen.
Endlich erreichte er die vier Stufen, die zu dem Portal des Hauses führten. Zögernd erklomm er sie, wobei seine Schritte ein dumpfes Knarzen hervorriefen, das in der Stille der Nacht auffällig laut klang und Harry zusammenzucken lies. Langsam, mit angehaltenem Atem, streckte der Junge die Hand nach dem Türknauf aus. Ob wohl abgesperrt war? Millimeter für Millimeter bewegte sie sich auf das goldene Metall zu.
Genau in dem Moment in dem Harry die Kälte des Metalls an seinen Fingerkuppen spüren konnte, brach im Garten hinter ihm die Hölle aus. Wurzeln der mächtigen alten Bäume rissen sich selbst aus der Erde frei, schnellten in atemberaubender Geschwindigkeit auf Harry zu. Gerade im letzten Moment fuhr der Schwarzhaarige herum und wehrte den ersten Schlag einer unterarmdicken Wurzel mit einem hecktisch gerufenen Zauber ab.
"Ach verdammt...", fluchte er lautlos, duckte sich unter der nächsten hindurch, die an ihm vorbeischoss und die Tür in der Mitte spaltete. Nun, wenigstens hatte sich nun das Problem mit der vielleicht verschlossenen Tür auf alle Fälle erledigt.
Schnell eilte Harry die Treppen wieder herunter um mehr Platz zum kämpfen zu haben. Doch ebendas stellte sich schnell als gravierender Fehler heraus. Wie von einem rasenden Dämon getrieben bohrten sich Wurzeln durch den Boden an die Luft und wickelten sich um Harrys Beine. Fluchend gelang es ihm einige von ihnen abzutrennen, doch es wurden immer mehr. Für jede vernichtete Wurzel erschienen drei neue, die sich in rasantem tempo an seinen Beinen empor wanden und ihn nach und nach an Boden fesselten.
Verzweifelt stemmte er sich gegen die Übermacht der Gewächse. Was sollte er nur tun? Immer noch kamen immer neue Wurzeln heran. Waren es vorher nur seine Beine, die festgehalten wurden, so wurden nun auch seine restlichen Gliedmaßen eingefangen und durch unglaubliche Kraft gebunden.
Mit einem mal ging ein Ruck durch das verholzte Gewebe. Was hatte das zu bedeuten? Harry riss seine Augen vor Angst auf, als er spürte wie sich die Wurzeln begannen zusammenzuziehen. Beine und Arme wurden immer stärker gequetscht, bis er dachte, seine Knochen würden dem Druck nicht mehr standhalten. Ein verzweifelter Schmerzschrei hallte durch die Nacht. Schmerz durchzuckte seinen gesammten Körper als scharfe Dornen begannen sich in sein Fleisch zu schneiden.
"Incendio! Sectumsempra!", schrie Harry in einem letzten Anflug von Widerstand. Kleine Flämmchen begannen über das Holz zu laufen, wo sich tiefe Schnitte abzeichneten. Der Druck lies etwas nach. Triumphierend stieß Harry einen Schrei aus, wiederholte die Flüche immer wieder und befreite sich so brutal von den zuckenden Wurzeln, die allmählich vom Feuer verschlungen wurden.
Aus einigen Aufschürfungen und Schnittwunden blutend hetzte er zum Haus, auch wenn sein Gang durch die Schmerzen die immer noch in seinen Gliedmaßen tobten etwas ungelenk wirkte.
Beinahe wäre er über die Stufen der kleinen Treppe gestolpert, doch schließlich erreichte er die Tür und warf sich durch diese hindurch, auch wenn er nicht wusste was ihn hier erwartete. Doch scheinbar gaben die Bäume auf, die zerstückelten und brennenden Wurzeln zogen sich wieder zurück und der Garten erschien wieder friedlich und still wie noch vor wenigen Minuten.
Scheinbar würde es doch nicht so einfach werden, wie er es sich gerne eingeredet hätte... Harry wischte sich den Angstschweiß ab und trat einen Schritt tiefer in den Raum hinein. "Lumos!" Sofort erschien ein helles Licht an der Spitze seine Zauberstabes, das den Raum in düsteres Licht tauchte. Es handelte sich wohl um ein Empfangszimmer. Die Wände waren mit ausgebleichtem Holz vertäfelt, an denen mehrere eingestaubte Bilder hingen, die man aufgrund der verblassen Farben nur noch mit einiger Mühe als solche erkennen konnte. Außer einem in ehemals weiße Tücher geschlagenem Schrank befanden sich keine Möbel in ihm.
Suchend blickte Harry sich um. Ob er an den Schrank gehen sollte? Vielleicht war die Tasse ja schon hier verborgen... Wahrscheinlich nicht. Dazu war Voldemort zu arrogant. Er würde einen Teil seiner Seele mit Sicherheit nicht in einem staubigen Schrank im Empfangsraum eines verwitterten Herrenhauses verbergen. Wenn dann befand sie sich irgendwo tiefer im Haus.
Doch er musste nachsehen. Langsam ging er auf den Schrank zu. Er atmete noch einmal tief ein, bevor er das Tuch mit einem Ruck herunterriss. Es war ein ganz normaler Eichenschrank, wenn das Holz auch schon beträchtliche Spuren der Zeit aufzuweisen hatte. Eiserne Beschläge zierten die zwei Türen und liefen auf das Schloss zu, dass sich in der Mitte des Schrankes befand. Ein angelaufener Schlüssel steckte in ihm. Obwohl Harry wusste, dass die Tasse sich nicht hier befinden konnte, drehte er ihn herum und erstarrte in der Bewegung als er ein Pochen aus dem Schrank hörte. Doch es war zu spät. Erschrocken trat er einen Schritt zurück.
Mit einem langen, schreckenerregenden Laut, der einem das Blut in den adern gefrieren lies, schwangen die Türen auf. Harrys Augen weiteten sich, als er sah, wer aus dem Schrank stieg. Fauliger Geruch schlug ihm entgegen. Die Gestalt grinste. Doch aufgrund ihres halbverwesten Zustandes, war das kein Wunder, denn wo früher Lippen gewesen sein mussten, hatte man nun ungehinderten Blick auf die Zahnreihen. Fetzen von Fleisch hingen von ihrem Schädel. Nur noch ein Auge war vorhanden, das andere war längst eingefallen und den Maden ein Mahl geworden. Anklagend starrte dieses eine Auge auf Harry herab, der vor Schreck zitterte.
"S...sirius...", hauchte der schwarzhaarige Junge fassungslos. Die Leiche trat einen Schritt auf ihn zu und lachte leise. "Ja, mein Junge...", ewiederte der vermeintliche Sirius mit einer Stimme, die kaum noch eine solche war. Harry schluchzte und wandte den Blick ab. Das...das konnte doch nicht sein! "Sieh mich an Harry...sieh mich an und erkenne was du mir angetan hast...ich bin deinetwegen gestorben... es war ganz allein deine Schuld...!", zischte Sirius und trat einen weiteren Schritt zu Harry.
Harry schrie auf, wich zurück. "Nein! Nein! Bleib weg!", rief er. Er wollte das nicht hören, er wusste dass er es war, der Sirius' Tod zu verantworten hatte, aber es tat so weh, es bestätigt zu bekommen. "Warum denn nicht, Harry? Willst du deiner Schuld nicht ins Angesicht sehen? Du warst es ganz allein. DU und deine Arroganz alles zu wissen!" Der Junge schlug seine Hände über die Ohren, als ob es ihn vor den anklagenden Worten schützen würde und wich bis an die Wand zurück.
"Und jetzt hast du auch noch Dumbledore auf dem Gewissen! Du bist unfähig die in deiner Nähe zu beschützen, Harry! Du bringst jeden ins Grab, der dir vertraut! Du bist eine Gefahr für alle anderen! Denkst du jemand wie du hat ein Recht darauf zu leben? Glaubst du etwa wirklich, du könntest mit deiner lächerlichen Aktion hier alles wieder gut machen, was du verbrochen hast? Sogar deine Eltern sind nur wegen dir gestorben! Du wiederst mich an, Harry, du bist Abschaum!", rief Sirius.
Bittere Tränen rollten Harrys Wangen herab. Ja...er hatte sie alle getötet...Sirius...Dumbledore...Cedric...seine Eltern... Alle waren nur wegen ihm gestorben... Seine Hände begannen unkontrolliert zu zittern. Sirius hatte Recht... jemand wie er...der hatte kein Recht darauf ein schönes Leben zu führen...
"Ja, Harry...ganz Recht...es wäre besser, du würdest sterben...komm...es ist ganz leicht. Du kennst den Spruch. Es tut auch nicht weh. Und danach können sie endlich wieder glücklich sein. All deine Freunde. Sie würden nie wieder von dir in eine Gefahr gebracht werden. Sie würden ihr Glück finden können...", säuselte Sirius plötzlich ganz nah bei ihm. Eine eisige Hand strich ihm fast sanft über die Wange.
Die Hand, die den Zauberstab hielt schloss sich fest um ihn. "Ja...ja tu es, Harry. Es ist besser so, glaub mir." Langsam hob Harry den Stab an. Sirius hatte ja so Recht. Wenn er starb, war alles besser... Die Spitze des Stabes richtete sich allmählich gegen ihn selbst.
Er würde niemals mehr jemanden in Gefahr bringen. Er würde niemals mehr einen Menschen töten. Er würde niemald mehr das Leben von jemandem zerstören. Er würde niemals mehr kämpfen müssen...halt...wenn er nicht mehr kämpfte, wer würde sich dann Voldemort stellen? Wer würde dem Orden helfen, Voldemort zu besiegen? Niemand wusste so viel über ihn, wie er selbst...Niemand konnte das schaffen, was er sich zum Ziel gesetzt hatte.
Allmählich sank die Spitze wieder. Wenn er nicht lebte, wer sollte dann die Zaubererwelt von Voldemort befreien? Sirius sah ihn alarmiert an. "Was hast du Harry? Bring es endlich zuende!", flüsterte er. Doch Harry schüttelte den Kopf.
"Nein!", wisperte er mit seiner Tränen erstickten Stimme. "Nein, ihc muss leben...!" Ruckartig hob er den Kopf und blickte die Gestallt die Sirius Gesichtszüge trug, aus funklenden grünen Augen an. "Ich muss mein Ziel erreichen!" Seine Stimme wurde fester. "Und du wirst mich davon nicht abhalten."
Mit einem Schrei wich Sirius von ihm zurück, stolperte und verlor dabei ein Bein. "Nein! Ich hatte es doch beinahe geschafft!", schrie das Wesen verzweifelt, das auf dem Boden kriechend zum Schrank hinrobbte. Es verlor immer mehr an Gestalt, bis es jegliche Ähnlichkeit mit Sirius verloren hatte. Blauliche Flämmchen traten hervor und verschlangen es vollkommen, bis nichts mehr als ein gellender Schrei, der im Haus verhallte, von ihm übrig geblieben war.
Fassunglos hatte Harry das Geschehen verfolgt. Immernoch rannen Tränen über seine Wangen, denn was das Wesen gesagt hatte, hatte sein Innerstes mehr getroffen, als jeder Schlag es vermocht hätte. Doch er musste weiter. Er durfte jetzt nicht aufgeben, so kurz vor seinem Ziel einen der Horkruxe zu vernichten.
Entschlossen wischte er sich die Tränen mit dem Ärmel seines schwarzen Shirts ab. Er hatte wildgewordenen Wurzeln und den Anklagen seines Patenonkels widerstanden, was konnte jetzt schon noch großartiges kommen?
Mit einem "Alohomora!", öffnete er die Tür, die aus dem Zimmer heraus in das nächste führte. Scheinbar ein Speißezimmer...die Wände wirkten genauso wie die im Empfangszimmer, trist und grau. Ein Tisch, mehrere Stühle, eine niedrige Diele, auf der sich eine Vase und etwas Geschirr befand, stellten die einzigen Möbelstücke im Raum dar. Nichts, das darauf hinwies, dass sich die Tasse hier befinden würde. Obwohl Harry nicht genau sagen konnte, was sich in der Diele befand, wollte er es auch nicht umbedingt herausfinden. Der Angriff vorhin hatte ihm völlig genügt.
Die Stille die im Haus herrschte beunruhigte Harry. Was hier wohl noch auf ihn wartete? Seine Schritte hallten weit durch die Düsterniss und schienen ihm so laut, dass man sie auch außerhalb des Hauses bestimmt noch hören musste. Ebenso wie sein Herz, dass ihm bis zum Hals schlug. Mit einem dumpfen Pochen schlug es gegen seinen Brustkorb, als wolle es ausbrechen und in Zukunft sein Leben getrennt von ihm führen.
Schnell durchquerte er den raum zur Gänze um die nächste Tür zu öffnen. Völlige Dunkelheit erwartete ihn. Irgendwas verhinderte, dass das Licht seines Zauberstabes tiefer in den Raum eindrang als wenige Schritte. Schauer rannen seinen Rücken herab. Ihm war kalt. Zögernd setzte er einen Fuß in den Raum. Kaum hatte er seinen Körper völlig in das Zimmer hineinbewegt, schlug die Tür mit einem lauten Krachen zu.
Erschrocken sprang Harry weg von ihr und spähte in die Dunkelheit hinein. Mit einem Mal erlosch sein Zauberstab. Obwohl er den Lichtzauberwiederholte, kehrte das kleine Lichtlein nicht wieder an seinen Platz zurück, um ihm tröstendes Licht zu spenden.
Er fluchte leise, versuchte es ein zweites Mal, abermals vergeblich. Plötzlich hörte er ein Scharren dicht neben ihm. Sofort ruckte sein Kopf herum, um zu sehen was es war, doch aufgrund der Tatsache, dass es einfach zu dunkel war um etwas zu sehen, stellte sich dieses Unterfangen als ziemlich sinnlos heraus.
Ein scharfer Schmerz zuckte durch seine Schulter. Harry keuchte, fastte sich an die Schulter, nur um festzustellen, dass warmes Blut aus der Wunde tropfte. verdammt, was ging hier vor?
Schon wieder dieses Scharren, diesmal von einer anderen Stelle im Raum aus. Insinktiv hechtete Harry nach links weg, doch scheinbar nicht weit genug, denn etwas das sich anfühlte wie eine stählerne Klinge, riss eine oberflächliche Wunde in seine Wange.
Was zum Teufel konnte das nur sein? Panisch warf er sich auf den Boden und rollte sich möglichst weit weg von dem Scharren, das ziemlich nah bei ihm erklang. Doch statt des Schmerzes, den er fast schon erwartet hatte, erklang ein zweites Scharren, etwas heller. So schnell, dass er kaum reagieren konnte, hörte er ein leises Surren, das schließlich in einem stechenden Schmerz in seinem Knöchel endete.
Er schrie auf, zog sein Bein an den Leib und sprang mit einer ungelenken Bewegung wieder auf. Gehetzt blickte er sich um, auch wenn es sinnlos war. Harry lauschte angestrengt, immer bereit sofort in Deckung zu gehen, wenn das Scharren erklingen sollte. Schweiß rann seine Stirn und seinen Rücken herab. Verdammt, wie kam er hier nur wieder raus? Er musste einen weg finden, sonst würde er irgndwann von den Klingen zerschnippelt werden, wie ein Stückchen Butter.
Wieder drang das schleifende Geräusch an seine Ohren, doch nun von mehreren Richtungen. Wohin sollte er nur ausweichen? Kopflos rannte er ein paar Schritte, doch er wusste, er würde nicht entkommen. Sein Fuß tat höllisch weh, was seine Schritte schleppend machte. Er würde sterben...von einem oder mehreren Angreifern niedergemetztelt, deren Gesicht er nie gesehen hatte.
Plötzlich erblickte er zwei rot glühende Punkte, die langsam auf ihn zu kamen. Gebannt blickte er ihnen entgegen. Was war denn das auf einmal? "Hast du Angst, Potter?", schnarrte eine eisige Stimme. Eine Stimme, die ihm verdammt bekannt vor kam.
Ein Stich in sein linkes Schulterblatt lies ihn in die Kniee gehen. "Oh, du hast endlich Respekt gelernt, Potter...", lachte es aus der Dunkelheit. Verdammt, was machte Voldemort hier? Wie hatte er erfahren, dass er herkommen würde, um die Tasse zu zerstören? Wieso hatte das alles nur passieren müssen?
"Nie...ich werde mich nie vor dir verbeugen, Voldemort!", presste Harry zwischen zusammengepressten Zähnen hervor um sich mit einem qualvollen Stöhnen wieder aufzurichten.
Voldemort lachte, so dass sich die rot glühenden Augen zu Schlitzen verengten. "Oh wie dumm von dir, Potter...du glaubst doch nicht, ich hätte nicht mitbekommen, was du die ganze Zeit getrieben hast... wer denkst du hat dir diese Information zugespielt?"
Harry dachte, er müsse sich übergeben. Sollte alles nur eine Falle gewesen sein? Sollte er wirklich auf diesen Trick hereingefallen sein? Warum war er nur so leichtgläubig? Aber es hatte doch alles so eindeutig ausgesehen...vielleicht zu eindeutig?
Langsam wich die Dunkelheit und Harry konnte die dunkle Siluette seines Erzfeindes erkennen. Voldemort lachte spöttisch. "Es war ein Bild für Götter dich hecktisch hin und her springen zu sehen...ich konnte deine Angst riechen... und den kalten Schweiß, der über deinen Rücken geronnen ist..."
Voldemort kam näher und strich über Harrys Wange, der erschrocken und angewiedert zurückzuckte, aufgrund der hecktischen Bewegung aber stolperte und zu Boden ging. "Lass mich!", schrie Harry panisch. Würde Voldemort ihn töten? Erst jetzt fiel ihm der Zauberstab auf, den er immer noch in der Hand hielt. "Expelliarmus!", schrie er und richtete ihn auf den Mann mit der Schlangennase.
Der Mann lachte nur und errichtete eine Schutzbarriere, die den Fluch wirkungslos abprallen lies. "Denkst du du könntest in diesem Zustand gegen mich antreten? Du dummes kleines Kind!", zischte er und beantwortete Harrys Fluch mit einem "Crucio", der Harry laut aufschreien lies. Heißer Schmerz fraß sich durch seinen gesamten Körper, er hatte keine Ahnung, welches Körperteil ihm mehr wehtat. Es tat einfach nur so unheimlich weh! Verzweifelt wand er sich auf dem dreckigen Holzboden. Tränen des Schmerzes quollen aus seinen Augen.
"Tut es weh?", fragte Voldemort leise, nah an seinem Ohr. "Flehe draum, dass es aufhört!" Harry schüttelte den Kopf und stöhnte heiser auf, als sich der Schmerz noch intensivierte. "N...nein...", keuchte er. Es wurde schier unerträglich. War es möglich, dass man durch Schmerz verrückt wurde?
"Willst du das wirklich nicht tun?" "Nein..." Harry sah kaum noch etwas, zu stark war der Schmerz, der sein gesamtes Denken dominierte. Und endlich fiel er in die erlösende Ohnmacht.
Aus den Schatten traten mehrere Todesser, die sich vor ihrem Herren niederknieten. "Goyle, bring ihn in meine Festung!", wies er einen seiner Gefolgsleute an, der ihn verständnislos ansah. "Ihr...ihr wollt ihn nicht töten?", fragte der Mann leise und erstaunt.
Ein kurzer aber heftiger "Crucio" zeigte ihm deutlich, dass man besser keine Fragen stellte, wenn Voldemort etwas befahl. Endlich hob Goyle den erschlafften Leib des "Jungen der lebt" auf seine Arme und apparierte mit ihm weg. Voldemort und die anderen folgten sofort.