„Und wenn ichs dir doch sage, Pad!", James Potter lief in seinem Schlafsaal auf und ab und erzählte seinem besten Freund von seinem Treffen mit Lily, doch dieser konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. Lily Evans küsste doch nicht freiwillig James Potter auf die Wange und bedankte sich bei ihm. Das war doch mehr als nur ausgedacht. Doch James beharrte darauf und warf seine Arme in die Luft.
„Sie hat mich eben gerade geküsst und ich spüre ihre Lippen immer noch auf meiner Wange!", immer noch wedelte er wild mit seinen Armen, worauf Remus nur die Augen verdrehte. Peter saß eingeschüchtert in seinem Bett, während Remus und Sirius nebeneinander auf James' Bett saßen und ihren Freund ein wenig besorgt musterten. War er auf den Kopf gefallen? Beide stellten sich dieselbe Frage.
„Lils? Wo kommst du denn her?", Ella saß auf Lilys Bett und schaute ihr direkt in die Augen. Eigentlich war die Black Erbin in einem anderen Schlafsaal, doch sie wollte unbedingt wissen, wann ihre beste Freundin wieder kam und ob ihre Suche erfolgreich war. Die restlichen Mädchen schliefen tief in ihren Betten und Lily war sich sicher, dass Ella einen Zauber gesprochen hatte, damit auch niemand was von dem Gespräch mitbekam und die anderen Mädchen in ruhe schlafen konnten.
„Ella. Ich hab gerade zum ersten Mal mein Gehirn ausgeschaltet.", Lily ließ sich auf ihr Bett nieder und schaute gedankenverloren auf den Fußboden. Wie konnte es bloß dazu kommen, dass sie sich nach ihrem Gefühl richtete und nicht nach ihrem Verstand? Noch nie war ihr das passiert!
Ella saß da und wusste nicht, wie sie diese Aussage deuten sollte. Lily Evans und ihren Verstand ausschalten? Das bedeutete ja, dass sie sich nach Gefühlen gerichtete hatte, nach ihrem Bauchgefühl. Und wenn sie jetzt so drauf war, konnte das eigentlich nur eins bedeuten.
„Wie weit bist du mit ihm gegangen?", sie musste die Antwort wissen, damit sie aussagen konnte, in welchem Zustand sich James jetzt befand. Er würde womöglich auf Wolke neun Schweben, durch den Schlafsaal stampfen und Sirius und Remus davon erzählen, die ihm rein gar nichts glaubten. Es war aber auch sehr undenkbar, wenn man bedachte, dass Lily James schon so oft einen Eimer gegeben hatte.
„Es war nur ein Kuss auf die Wange.", flüsterte sie, doch sie wusste, dass es nicht bloß ein Kuss auf die Wange war. Es war mehr, doch das wagte sie nicht auszusprechen. Ella hingegen tat es an ihrer Stelle.
„Für ihn war es mehr als er je erhoffen konnte und dir hat der Kuss auch was bedeutet.", sie schaute ihre Freundin an, doch diese zuckte bei dem Satz nur zusammen und erwiderte nichts darauf. Das Schweigen bestätigte sie nur und sie seufzte. Lily hatte James mehr Hoffnungen gemacht, als sie sich vorstellen konnte.
Er würde sie zwar nie aufgeben und sie für immer lieben, doch er hatte nachgelassen mit den Fragen nach einem Date.
„Ich würde gerne schlafen gehen, Ella.", Lily stand von ihrem Bett auf und ging zu ihrem Koffer um dort ihre Schlafsachen rauszuholen. Der Tag war lang gewesen und die Nacht noch länger, wie es ihr schien.
Nochmals seufzte die Jüngere und ging ohne noch etwas zu sagen. Sie hatte das Gefühl, dass alles gesagt war.
Leise zog sie die Tür hinter sich zu und ließ eine verwirrte Lily vor ihrem Koffer zurück, der eine einzelne Träne die Wange runter lief.
Der Tag begann und Lily kam es vor, als hätte sie sich erst gerade ins Bett gelegt und versucht zu schlafen. Doch tatsächlich waren es einige Stunden gewesen, seit sie sich ins Bett geschmissen hatte und in ihr Kissen geweint hatte. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie sie aussah. Als sie ihre Schlafsachen nicht finden konnte, hatte sie sich einfach so angezogen ins Bett begeben ohne sich vorher noch abzuschminken. Sie trug nie viel Schminke im Gesicht, dennoch würde diese trotzdem total verschmiert und verlaufen sein.
Langsam rappelte sie sich aus dem Bett und strich sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Sie wollte wirklich nicht wissen, wie sie an dem Morgen aussah. Der Gemeinschaftsraum war leer, was bedeutete, dass sich ihre Mitbewohnerinnen bereits in die Große Halle zum Essen begeben hatten. Hatte für Lily den Vorteil, dass sie alleine war und keinen fragenden Blicken ausweichen musste, die allein ihrem Aussehen galten.
Erschrocken hielt Lily die Luft an, als sie ihr Gesicht im Spiegel, der im Badezimmer hing, sah. Ihre Augen waren rot angeschwollen, ihre Schminke auf ihrem Gesicht verteilt und ihre Haare sahen aus, als hätte sie in einer Steckdose gefasst. Sie war ein Monster, wie sie fand und lief schnell zurück zu ihrem Bett, auf der Suche nach ihrem Zauberstab.
„Wo ist der denn schon wieder?!", sie fluchte leise, fand ihn jedoch nicht. Wann hatte sie ihn das letzte Mal gesehen? Überlegend lief sie wieder ins Bad, um es ohne einen Zauber zu versuchen. Wie lange war es nun schon her, dass sie so was in Hogwarts tat? Zu Hause war das Zaubern verboten gewesen, also musste sie dort ohne auskommen, doch hier in der Schule konnte sie sich morgens nicht mehr zeitlich schaffen.
„Du bist ja weiß, wie eine Decke, Lils!", erschrocken fuhr die Gryffindor herum und schaute in die aufgerissenen Augen von Ella, die hinter ihr stand und in ihrer Tasche nach ihrem Zauberstab suchte, und ihn sofort fand.
‚Wo ist denn meiner?', fragte sich Lily wieder, dieses Mal jedoch in Gedanken.
Schnell sprach Ella einen Zauber und zufrieden betrachtete sich Lily im Spiegel. Nun sah sie wieder so frisch aus, wie immer. So wie jeder Lily Evans nun mal kannte.
Ein gemurmeltes ‚Dankeschön' folgte und Lily trat schnell aus dem Schlafsaal. Sie musste etwas zwischen die Zähne bekommen, sonst würde jemand noch ihr Magenknurren hören. Ella rannte ihr selbstverständlich hinterher, holte sie am Portrait der fetten Dame ein und ging dann zusammen mit ihr schweigend zur Großen Halle.
Irgendwas stimmte nicht mit ihr. Sie sah zwar aus wie immer, aber etwas fehlte an Lily. Sirius beobachtete seine beste Freundin mehr als nur auffällig. Sie saß zusammen mit seiner kleinen Schwester etwas weiter weg am Gryffindortisch und schob ihre Würstchen von einer Seite zur anderen. Doch essen tat sie sie nicht. Zwar hatte sie sich den Teller voll beladen, doch es verschwand nichts von dort.
Ein Blick auf James, der direkt neben ihm saß, verriet, dass er mit seinen Gedanken wo anders war, doch trotzdem leerte er seinen Teller.
Also musste doch irgendwas an den Erzählungen, die James in ihrem Schlafsaal gehalten hatte, stimmen. Doch würde seine kleine Lils wirklich James Potter küssen und das auch noch freiwillig? Es wollte einfach nicht in seinen Kopf gehen.
Das Frühstück verlief ruhig und als alle, bis auf Lily, deren Teller immer noch voll war, fertig waren, erhoben sie sich um in ihre jeweiligen Kurse zu kommen.
An diesem Tag würden sie alle nicht gemeinsam die ersten Stunden zusammen haben, denn sie hatten verschiedene Wahlfächer gewählt.
Während Sirius, Remus und Lily zu Muggelkunde im dritten Stock gingen, verschwanden James und Peter im Wahrsageturm. Ella war ein Jahrgang unter ihnen und verschwand in den Kerkern um dort Zaubertränke zu brauen.
Sirius sah den sorgenvollen Blick von James, den er Lily zuwarf, den sie aber nicht wahrnahm, da sie ihren Gedanken nachhing.
Der Vormittag verlief ohne Zwischenfälle. Lily schaute James immer noch nicht an, James schien fast krank vor Sorge zu sein und Sirius hatte keine Ahnung wie er seinen besten Freunden helfen sollte. Ihm wollte einfach nicht klar werden, was zwischen den beiden vorgefallen war. Beim Mittagessen trafen sich die Freunde erst alle wieder, und wieder verlief die Situation wie beim Frühstück. Lily aß nichts, James schaute sie permanent an und Sirius war kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
„Hey Leute!", Ella kam gerade in die Halle gestürmt und lächelte alle an, was Sirius zum ersten Mal jedoch auffiel war, dass ihr Blick bei Remus hängen blieb, der sie liebevoll anlächelte. Hatte er was verpasst? Seit wann war die Situation zwischen den beiden schon so? Die Fragen schwirrten plötzlich in seinem Kopf, doch das würde er später mal klären.
Gerade waren alle am Essen, als die Tür zur Halle laut aufgestoßen wurde. Augenblicklich herrschte Stille in der Großen Halle und wirklich jeder Blick lag auf dem Gast, der diesen Lärm veranstaltet hatte. Es war ein blonder Junge, dessen Haare mit einem Haargummi zu einem Zopf gebunden waren und der mit seinen blauen Augen durch die Halle schaute. Er suchte jemanden und er schien ihn am Tisch der Gryffindors gefunden zu haben, denn er marschierte direkt auf diesen zu. Der Rest der Schülerschaft beachtete den Jungen nicht mehr, doch ein Blick auf Lily zeigte Sirius, dass sie dieser Junge doch mehr interessierte, als sie zugeben würde.
„Hey Lily!", begrüßte er sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Augenblicklich starrten ihre Freunde alle auf die beiden. Sie kannte ihn also, stellte Sirius fest uns kaute auf seiner Gabel rum. Doch Lils' Blick verriet ihm, dass sie alles andere als glücklich war, ihn zu sehen. Sie sah eher schockiert aus.
„Logan was machst du denn hier?", sie erhob sich und zog den blonden Kerl aus der Halle. Immer noch starrten alle ihre Freunde ihr hinterher. James sah wirklich aus, als würde er sich gerade überlegen, wie er den Typen am unauffälligsten aus dem Weg schaffen würde und Ella war blass geworden. Sie wusste also bescheid.
Sirius kaute weiterhin auf seiner Gabel rum und schwieg.
„Pad, die Gabel kann dafür nichts.", blinzelnd schaute Sirius zu Remus, der auf die Gabel deutete, die er gerade versuchte durch zu beißen. Sofort legte er sie weg und grummelte.
„Fayne.", grummelte er nur und schaute weiterhin zur Tür, wo Lily und der Unbekannte verschwunden waren. Remus ‚Wayne, Pad.', nahm er nicht wahr.
„Du meinst das nicht ernst! Jetzt schon? Was haben die sich dabei gedacht?!", Lily war fast schon hysterisch und rannte in dem leeren Klassenraum auf und ab. Logan lehnte sich lässig gegen einen der Tisch und beobachtete sie dabei.
„Das war ein ganz schöner Schock, als ich erfahren habe, dass du eine Hexe bist. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich dir erzählt, dass ich auch zaubern kann, aber so ging das ja nicht.", erklärte er und schaute sie weiterhin an. Sorgen um die aufgebrachte Lily machte er sich nicht, er kannte sie schon seit er klein war und so was war er gewöhnt.
„Logan!", sie schritt zu ihm und blickte ihm in die Augen. „Ich kann das nicht und du auch nicht!", ernst schaute sie ihn an und kaute auf ihrer Lippe rum. Wieso musste er gerade jetzt auftauchen? Gerade wo sie sich über ihre Gefühle klar wurde?
„Lily, ob es dir nun gefällt oder nicht, wie werden heiraten."
